Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
Marty und Jay.
»Professor Sparkman«, sagte er und trat näher an den Rollstuhl heran. »Ich muss noch einmal den Empfänger …«
Er blieb wie angewurzelt stehen, starrte den Rollstuhl an. Er war leer. Einen Augenblick lang glaubte Travis, er würde einer anderen Person gehören. Dann sah er den verblichenen Aufkleber, der an der Lehne klebte. E=mc². Von dem Empfänger war keine Spur zu sehen.
Jay schob seine Wollmütze tiefer. »Verdammt, das mit dem Kopf kürzer machen war doch ein Witz.«
»Er hat sich nicht geköpft«, sagte Marty mit einem traurigen Blick in den braunen Augen.
Travis erschauderte. Es war genau wie in seinem Traum über die Fernsehreporterin. Es i st gefährlich hier draußen, hatte sie gesagt. Er berührte Professor Sparkmans leeren Rollstuhl und stieß ein nebliges Seufzen aus. »Sie haben ihn sich geschnappt.«
»Die Aliens«, sagte Marty.
Travis hatte nicht die Energie, ihm zu widersprechen. Er stützte sich auf die Rollstuhlgriffe. Wie sollte er jetzt erfahren, wo in Denver sie das Tor versteckt hatten?
»Nun«, sagte Jay schulterzuckend, »da wir nicht mit Sparky reden werden, können wir genauso gut zum Frühstück gehen.«
27
Aryn stand auf den Zinnen von Calavere und sah zu, wie die Reiter auf das Schloss zuhielten.
Das erste Mal waren sie ihr aufgefallen, als sie einen mehr als eine Meile von Calavere entfernten Hügel erklommen, und jetzt bewegten sie sich wie eine dunkle Wolke über die Straße. Sie fragte sich, aus welchem Land sie wohl kamen? Aus einer der Freien Städte? Der Domäne Embarr? Sie würde es bald herausfinden, davon abgesehen war es eine kleine Gruppe – nicht mehr als zwanzig Mann.
Andererseits, wenn man geduldig war, füllte sich selbst ein großer Eimer tröpfchenweise.
Die Ersten waren an dem Tag eingetroffen, nachdem Grace Calavere verlassen hatte. Es war eine Gruppe aus dreißig Männern gewesen, die zottelige Pferde über die Dunkelwein-Brücke trieben. Es waren halbe Wilde, die in Leder und nicht zueinander passende Rüstungsteile gekleidet waren. Aber zu Aryns Überraschung stellte sich ihr Anführer dem König auf dem Unteren Burghof in dem höflichen Tonfall eines Edelmannes vor. Er war Herzog von Eredane, und die, die ihm folgten, waren Grafen und Ritter. Sie waren vor über einem Jahr von schwarzen Rittern aus ihren Festungen vertrieben worden; seitdem hatten sie an den Grenzen der Domäne gelebt, sich vor ihren Feinden verborgen und ihnen zugesetzt, wenn sich eine Gelegenheit bot.
»In Eredane stehen die Dinge schlimmer, als Ihr ahnt«, hatte der Herzog gesagt, nachdem er zur Begrüßung Boreas' Arm umfangen hatte. »Die dunklen Ritter herrschen mit Schwert und Feuer, aber nicht einmal sie wagen es, sich gegen den Rabenkult zu stellen. Jeden Tag fallen mehr unter den Schatten des Raben – ganze Dörfer werden mit seinem Zeichen gebrandmarkt, und sie lassen Felder und Häuser im Stich, gehen zur Straße und marschieren was weiß ich wohin. Ich fürchte, sie begeben sich auf eine schreckliche Pilgerfahrt.«
Jeden Tag trafen mehr Männer im Schloss ein, einige zu Pferde, einige zu Fuß. Sie kamen allein oder in kleinen Gruppen oder auch in Abteilungen zu hundert Mann und mehr. Ein paar von ihnen waren Adlige wie der Herzog und seine Gefolgsleute, aber viel mehr waren Bauern und Freisassen, oder Kaufleute und Handwerker. Manche waren, ihrem rauen Aussehen und ihren noch raueren Manieren nach zu urteilen, kaum besser als Söldner und Diebe. Boreas hieß sie alle willkommen.
Aus allen Richtungen strömten sie herbei. Manche erzählten von der knappen Flucht aus Brelegond, das wie Eredane von den schwarzen Rittern beherrscht und vom Rabenkult heimgesucht wurde. Andere hatten Bauernhöfe und Familien in Calavan, Galt, Toloria und Perridon verlassen. Sie hatten Pflüge und Spaten niedergelegt und sie gegen alte Schwerter eingetauscht, die seit Jahren vergessen in Truhen ruhten.
Die einzige Domäne, die bis jetzt nicht repräsentiert war, war Embarr, was Schlimmes für das Land befürchten ließ. Allerdings lag Embarr von allen Domänen am weitesten von Calavan entfernt. Vielleicht würden die Männer von dort noch eintreffen. Davon abgesehen würden die meisten Männer nicht aus den Domänen kommen. Wie alle Mysterienkulte hatte auch der Kult von Vathris Stiertöter seinen Ursprung in den alten Ländern des Südens, und König Boreas schaute auch nach Süden.
Die ersten Männer aus Gendarra und den anderen Freien Städten waren vor
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