Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
in Bewegung zu bleiben. Nim brachte sie auf einem Schiff nach Norden zur Welt. Für die nächsten drei Jahre reiste sie von Ort zu Ort, blieb nie länger als einen Monat oder zwei und wagte aus Furcht, sie könnten auf sie warten, nie an einen Ort zurückzukehren, an dem sie bereits gewesen war.
Als sie endete, konnten Beltan und Travis sie bloß anstarren. Durch die Tür hörten sie Nim beim Malen vor sich hin summen. Schließlich zwang sich Travis dazu, etwas zu sagen.
»Hast du herausbekommen, was die Scirathi von dir wollen?«
»Sie wollen nicht mich.«
»Nim«, sagte Beltan heiser. Er stand auf und ging um den Tisch herum. »Es ist Nim, die die Zauberer haben wollen, oder?«
Vani nickte mit heimgesuchtem Gesichtsausdruck.
Beltan schlug mit der Faust auf die Küchenarbeitsfläche. »Diese dreckigen Scirathi – ich werde sie alle mit den bloßen Händen töten.«
Funken blitzten in seinen grünen Augen. Alarmiert stand Travis auf und ging zu ihm, berührte seinen Arm. Einen Augenblick stand Beltan wie erstarrt da, dann seufzte er und ließ die Schultern sinken. »Es tut mir Leid, Travis. Es ist nur … wir haben sie gerade erst kennen gelernt, und jetzt wollen sie sie uns wegnehmen.«
Travis sah Vani an. »Was wollen sie von ihr?«
»Ich wünschte, ich wüsste es«, sagte Vani und schaute auf ihre auf dem Küchentisch gespreizten Hände. »Aber warum auch immer, in den vergangenen Wochen sind die Scirathi immer erbarmungsloser mit ihrer Verfolgung geworden. Ich konnte nirgendwo länger als ein paar Tage bleiben, bevor ich fliehen musste. Darum habe ich auch mein Volk gesucht und nach dem Tor gefragt. Ich wusste, das war der einzige Weg zur Flucht.«
Travis betrachtete das Stück des Artefakts. »Wie hast du es geöffnet, Vani? Das Tor.«
Beltan sah ihn überrascht an.
Travis setzte sich wieder. Er schob die Hände über den Tisch auf die ihren zu, berührte sie aber nicht. »Das Blut, mit dem ich es unter der Stahlkathedrale gefüllt habe, muss verbraucht gewesen sein, als du und Beltan Eldh erreicht hattet. Also, mit wessen Blut hast du das Tor geöffnet?« Vani öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus.
»Es ist schon gut, Mutter«, sagte eine Kinderstimme hinter ihnen. »Du kannst es ihnen sagen. Es stört mich nicht.«
Nim stand in der Küchentür, das Blatt Papier in der Hand.
»Uns was sagen, Schatz?«, fragte Travis und hielt seinen Ton unbeschwert, da er nicht wusste, wie viel sie gehört hatte.
Das Mädchen ging zum Tisch und legte das Papier dort ab. »Wie wir hergekommen sind. Seht, ich habe euch ein Bild gemalt. Es erklärt alles.«
Travis drehte das Blatt um. Die Zeichnung bestand aus einfachen, aber ausdrucksvollen Linien. Unten war ein kleines schwarzes Dreieck. Über dem Dreieck war ein Kreis mit wellenförmigem Rand. Zu beiden Seiten des Kreises stand jeweils ein Strichmännchen, ein kleines und ein großes. Das Kleine hielt eine Hand dem Dreieck entgegen. Kleine schwarze Formen wie Tränen fielen aus der Hand der kleinen Figur auf das Dreieck.
Aber Travis wusste, dass es sich nicht um Tränen handelte. Schweiß trat auf seine Stirn.
Vani nahm das Blatt, faltete es zusammen und gab es Nim zurück. »Zeit für dich zu schlafen.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich kann allein zu Bett gehen. Ich wollte aber zuerst meinen Vätern einen Gutenachtkuss geben.«
Das taten sie dann auch. Beltan hob sie hoch und umarmte sie, und Travis gab ihr einen ersten Kuss auf die Stirn. Sie lief zur Tür, blieb dort stehen und sah Vani an.
»Ich habe viel Glück, Mutter«, sagte sie.
Vanis Blick war nachdenklich. »Wieso, Tochter?«
»Die meisten Kinder haben nur einen Vater. Aber ich habe zwei.«
Nim ging. Travis und Beltan setzten sich wieder an den Tisch. Vani starrte auf die Tür, wo ihre Tochter verschwunden war.
»Wieso?«, fragte Travis.
Vani sah ihn nicht an. »Sie hat es mir gesagt. Ich habe mich zuerst geweigert – auch wenn sie älter erscheint, ist sie doch erst drei. Aber die Zauberer waren dicht hinter uns, und ich wusste, dass mein Volk sie nicht lange aufhalten konnte. Ich hatte keine große Wahl. Und ich habe früh gelernt, dass sie Dinge weiß. Dinge, die sie nicht wissen sollte, es aber trotzdem tut.«
Beltan drückte die Hand auf die rechte Ellenbeuge.
»Also hat ihr Blut das Tor aktiviert«, sagte Travis. Ihm war schlecht.
»Sie hat nicht einmal aufgeschrien, als ich mit der Nadel in ihren Finger gestochen habe.« Vani zögerte, dann berührte sie seine
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