Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
ihrer Gegenwart verändert«, meinte Vani.
»Der Thronsaal«, sagte Avhir. Der hoch gewachsene Meuchelmörder trat an Vanis Seite. »Wo Orú in Ketten gelegt wurde und wo er schlief. Hieß es nicht, dass nur die sieben Schicksalslosen ihn betreten können?«
Vani nickte. »Für jeden anderen als die A'narai bedeutete es den sicheren Tod, den Thronsaal zu betreten. Orús Macht war so schrecklich, dass die Schicksalsfäden in seiner Gegenwart verzerrt wurden.«
Grace nickte. »Du meinst wie bei einem Nexus?«
Travis sah zur Stadt herüber. »Nim.«
»Sie wollen sie dazu benutzen, um in den Thronsaal hineinzukommen«, sagte Farr. »Um den Gottkönig Orú zu finden. Und sein Blut zu nehmen.«
Larad hörte damit auf, Sand aus seinem Gewand zu schütteln. »Aber nach dreitausend Jahren kann Orú unmöglich noch am Leben sein.«
»Das vermutlich nicht«, sagte Farr und betrachtete die Stadt. »Aber das muss keine Rolle spielen. Wenn nur eine kleine Menge von seinem Blut die Zeit überdauert hat, in Skarabäen oder Phiolen …«
Die Blicke der anderen richteten sich wieder auf Travis. Er wusste, was sie dachten; sie alle hatten gesehen, welche Veränderungen ein einzelner Tropfen von Orús Blut in ihm bewirkt hatte. Was würden die Scirathi mit solchem Blut anstellen?
Vielleicht gar nichts. Die Magie wird schwächer. Vielleicht sind die Scirathi zu spät.
Oder vielleicht auch nicht. Die Magie verlor ihre Kraft, ja, aber nicht die Imsari; sie schienen so mächtig wie zuvor zu sein. Das Gleiche galt für Travis' Blut – wie hätte er sonst den Vernichtungszauber umkehren können, mit dem Morindu die Finstere vor drei Zeitaltern belegt worden war? Orús Blut konnte noch immer über Macht verfügen, die die Scirathi benutzen konnten.
Und selbst wenn nicht, die Scirathi hatten noch immer Nim.
Als die Stadt aufgestiegen war, waren große Staubwolken in den Himmel aufgestiegen und hatten die Wucht der Sonne gedämpft. Jetzt senkte sich der Staub, und die Sonne durchbrach den Schleier. Wieder stieg die Hitze wie ein würgendes Miasma vom Wüstenboden auf.
»Kommt«, sagte Travis. »So oder so, wir müssen dort hinein.«
Avhir fand Stufen, die man in die Seite der Steinsäule hineingemeißelt hatte. Vor Tausenden von Jahren mussten die Bewohner Morindus hier heraufgestiegen sein, vielleicht um ihre dunkle Stadt zu betrachten. Oder vielleicht, um die Heere ihrer Feinde näher kommen zu sehen. In wenigen Minuten hatten sie den Boden erreicht.
»Das Tor muss dort sein«, sagte Vani und zeigte auf zwei zierliche Türme in der Mauer, die die Stadt umringte.
»Werden wir es öffnen können?«, fragte Meister Larad.
Niemand antwortete dem Runenmeister. Vom Sockel der Säule bis zur Stadt war es eine halbe Meile, und auf dem ganzen Weg gab es keinen Schatten. Heißer Wind fegte die letzten Staubschleier aus der Luft, und die Sonne starrte wie ein wütendes Auge vom Himmel.
Sie rannten. Die T'gol liefen voraus und hinterließen dabei kaum Spuren im Sand. Die anderen stolperten hinterher. Nach wenigen Augenblicken schwitzten sie, und nach einer Minute verzogen Grace, Larad und Farr schmerzerfüllt die Gesichter.
Du kannst es nicht fühlen, aber der Sand verbrennt sie. Wäre er nur etwas heißer, würde er zu Glas zerschmelzen. Wenn du nichts tust, werden sie es nicht schaffen.
»Larad, die Steine.«
Der Runenmeister konnte nicht mehr reden, aber er reichte Travis das Eisenkästchen mit zitternder Hand. Diesmal nahm er nur Gelthisar, den Stein des Eises.
»Hadath«, murmelte er. Dann sprach er die Rune des Eises noch einmal. Und immer wieder.
Der Sand blieb nur Augenblicke lang kühl, bevor die Sonne ihn wieder aufheizte, aber bei jeder erneuten Beschwörung richtete Travis die Macht des Runenzaubers direkt voraus. Grace, Farr und Larad humpelten nicht länger, und sie kamen schnell voran. Sie erreichten die Stadtmauer. Vani und Avhir waren bereits dort.
Travis schaute nach oben, erneut von Ehrfurcht ergriffen. Die Mauer war dreißig Meter hoch und bestand aus dem gleichen glasigen Stein wie der Turm. Kein Spalt oder Riss verunstaltete sie, und es gab kein Zeichen von einem Tor oder einem Eingang.
Er sah Vani an. »Hast du nicht gesagt, das Tor wäre hier?«
»Es ist da.« Sie griff nach der Mauer, aber ihre Hand schien zurückgeworfen zu werden, bevor sie sie berühren konnte.
Travis begriff. Es war wie bei dem Eingang im Turm. Da war ein mit den Schicksalsfäden gewobener Zauber. Eine Möglichkeit des Schicksals
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