Die Letzte Spur
sehen natürlich auch, klar.«
Cedric hob vorsichtig die Hand. »Ich hab mich gefreut, Geoff. Ehrlich. Viel mehr, als ich es dir zeigen kann.«
Geoff nahm sacht Cedrics Hand. »Du gehst in die Staaten zurück?«
»Wenn ich mich wieder bewegen kann. Ein paar Wochen werde ich wohl noch bei meinem Vater bleiben. Ist für ihn sicher auch ganz schön.«
»Besuchst du mich noch mal?«
»Glaubst du, ich reise ab, ohne mich zu verabschieden?«, fragte Cedric empört.
Geoff wendete seinen Stuhl und rollte zur Tür. »Geoff!«, sagte Cedric. Geoff hielt inne. »Ja?«
»Wir sollten nicht wieder den Kontakt verlieren. Es ist eine ganz schöne Strecke zwischen Taunton und New York, aber es gibt E-Mails und Telefone. Wir sollten einfach … na ja, irgendwie sollte jeder von uns immer ungefähr wissen, was der andere so macht und wie es ihm geht.«
»Würde mich freuen«, sagte Geoff. Er öffnete die Tür. Die Räder seines Rollstuhls quietschten leise auf dem Linoleum, als er hinausfuhr.
Cedric bewegte ganz vorsichtig den Kopf, sah zur Tür, die sich langsam schloss.
Es ist ein Anfang, dachte er, immerhin ein Anfang. Und nach allem, was war, vielleicht mehr, als ich erhoffen durfte.
Er war sehr müde. Das Gespräch mit dem Polizeibeamten und der Besuch von Geoff hatten ihn angestrengt.
Verdammt, ich bin noch ganz schön angeschlagen, dachte er.
Die Tür öffnete sich leise. Wahrscheinlich die Schwester. O Gott, konnte man ihn nicht endlich einmal schlafen lassen?
Noch einmal wandte er sacht den Kopf. Wenn ihn nur nicht jede kleinste Bewegung so schmerzte!
Die Gestalt, die auf Zehenspitzen auf ihn zuhuschte, kam ihm vertraut vor, aber im Gegenlicht konnte er ihr Gesicht nicht sofort erkennen. Erst als sie schluchzend neben seinem Bett zusammensank, wusste er, wer der dritte Besucher an diesem Tag war.
»Pamela!«, sagte er entgeistert. »Wie kommst du denn hierher?«
Sie starrte ihn aus verweinten, verstörten Augen an. »Cedric! Cedric, du musst mir helfen!«
»Ganz ruhig«, sagte Cedric. Er verfluchte einmal mehr seine Unbeweglichkeit. Er hätte sie gern an sich gezogen, über ihre Haare gestrichen, sie getröstet. »Ganz ruhig. Und sei leise! Die Schwester kommt sonst und wirft dich raus!«
»Ich habe die ganze Zeit im Flur gewartet. Bis der Typ im Rollstuhl endlich weg war. Cedric …«
»Pamela, die Polizei sucht nach dir! Weißt du das?«
Sie nickte heftig. »Ich bin abgehauen. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte! Der einzige Mensch, der mir in den Sinn kam, warst du. Ich bin mit dem Bus gefahren und getrampt, und … ach, ich war den ganzen Tag unterwegs. Ich bin völlig fertig!«
Genauso sah sie aus. Abgekämpft, bleich, mit wirren Haaren. Fast wie eine Landstreicherin. Cedric fürchtete, dass die Schwester einen Alarm auslösen würde, wenn sie plötzlich hereinkäme.
»Lieber Himmel, Pamela! Du kannst doch nicht gewissermaßen mitten aus einer Vernehmung von Scotland Yard einfach weglaufen! Warum hast du das denn getan?«
Sie kämpfte mit den Tränen. »Weil er mir nicht glaubt. Der Typ dort, Fielder oder wie er heißt! Mir ist das gestern Abend klar geworden. Er glaubt mir nicht, und er versucht, mich in Widersprüche zu verwickeln. Ich bin doch nicht bescheuert, ich merke es, wenn einer mich auszutricksen versucht! Ich habe die ganze Nacht wachgelegen, und dann ist mir klar geworden, dass ich weg muss, dass ich sonst total in der Scheiße sitze und dass ich …«
Er unterbrach ihren Redefluss. »Leise! Willst du unbedingt die Stationsschwester auf dich aufmerksam machen? Was heißt, er glaubt dir nicht? Was glaubt er nicht?«
Sie atmete tief. »Dass ich Elaine Dawsons Reisepass in der Wohnung von Ron Malikowski gefunden habe.«
»Wieso glaubt er das nicht?«, fragte Cedric verwirrt und setzte nach einem Moment des Zögerns eindringlich hinzu: »Du hast ihn aber doch dort gefunden, oder?«
Sie schwieg.
»Pamela! Du hast uns allen erzählt, dass du …« Sie unterbrach ihn aggressiv. »Ich weiß, was ich erzählt habe!«
Es gelang ihm, den Kopf so weit zu bewegen, dass er ihr direkt in die Augen sehen konnte.
»Du hast gelogen«, stellte er fest.
Sie blickte zu Boden. »Ja«, gestand sie, kaum hörbar.
»Oh, verdammt!«, sagte Cedric. »Verdammt! Wieso? Wieso denn, Pamela?«
Wieder schwieg sie.
Er hätte sie am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt. Er war wütend und enttäuscht. Weil ihm klar war, dass es nur einen Grund für ihr Lügen geben konnte: Sie hatte mehr
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