Die Letzte Spur
Dreck am Stecken, als die Polizei erfahren durfte. Elaines Pass war auf eine Art in ihre Hände gelangt, von der möglichst niemand etwas wissen sollte. Wahrscheinlich war Pamela nicht viel besser als die Typen, vor denen sie solche Angst gehabt hatte. Und er hatte sie als Opfer gesehen! War mit ihr durch halb England gebrettert, um einen Ort zu suchen, an dem sie sich sicher fühlen konnte. Hatte versucht, sie zu beschützen. Hatte sich zusammenschlagen lassen. Lag jetzt bewegungsunfähig in diesem Bett, konnte keinen Atemzug tun, ohne vor Schmerzen fast an die Decke zu gehen, und musste erfahren, dass sie ihn belogen hatte. Kaltblütig belogen.
»Wie war es dann?«, fragte er. »Pamela, sag endlich die Wahrheit! Wie bist du an Elaines Reisepass gekommen?«
Sie brach erneut in Tränen aus, und diesmal versuchte sie erst gar nicht, des Weinens Herr zu werden.
»Das glaubst du mir ja doch nie«, stieß sie schluchzend hervor.
6
»Ich bin damals zu dem Treffen gegangen, zu dem ich eingeladen wurde«, sagte Marc, »aber ich bin F.I.D. nicht beigetreten. Letztlich … war mein Problem anders gelagert.«
Sie saßen auf dem Fußboden in Marcs Wohnung. Mit dem Rücken gegen das Sofa gelehnt, die Beine angewinkelt. Sie tranken den Wein, den Rosanna geöffnet hatte. Draußen, jenseits des Fensters, war es Nacht geworden. Die Lampe über der Küchentheke brannte, sonst war es dunkel im Zimmer.
Er war nicht böse gewesen. Weder darüber, dass Rosanna in seinem Schlafzimmer stand, noch deswegen, weil sie in seinen Büchern stöberte. Auch nicht darüber, dass sie einen Brief gelesen hatte, der an ihn gerichtet war.
Er war ins Bad gegangen, hatte geduscht, sich umgezogen. Anzug und Krawatte gegen Jeans und Pullover getauscht.
»Wollen wir irgendwo hingehen?«, hatte er dann gefragt.
Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Ich will dich verstehen lernen, Marc.«
Irgendwie waren sie mit ihren Weingläsern auf dem Fußboden gelandet. Hatten langsam die Dunkelheit in das Zimmer schleichen lassen und geredet. Rosanna hatte von ihrem Tag erzählt. Von dem Gespräch mit Fielder. Davon, dass offenbar mit Pamela irgendetwas nicht stimmte. Von ihrem Spaziergang. Von dem Empfinden, dem sie sich in Marcs Wohnung ausgesetzt gesehen hatte.
»Das bist nicht du. Das ist … eine komfortable Notunterkunft. Ja, so kommt es mir vor. Was ist los mit deinem Leben?«
Und damit waren sie bei dem Brief gelandet. Und dem, wofür er stand.
»Es war nicht so, dass ich es nicht gut gefunden hätte, was die Leute dort taten. Wofür oder wogegen sie kämpften. Aber mein persönlicher Fall war einfach ganz anders gelagert. Diesen Männern wurden von ihren Noch-Ehefrauen oder Exehefrauen Steine in den Weg gelegt, was das Umgangsrecht mit ihren Kindern anging. Mit allen möglichen juristischen und sonstigen Tricks. Haarsträubend teilweise. Mein Problem war jedoch nicht Jacqueline. Mein Problem war Josh. Nicht meine Exfrau stellte sich quer, mein Sohn selbst tat es. Und das machte alles so hoffnungslos.«
»Hoffnungslos«, sagte Rosanna, »das ist das richtige Wort. Das Wort, nach dem ich gesucht habe, um dich zu beschreiben, Marc. Diese Traurigkeit in deinen Augen. Dein Lächeln, das nie von innen zu kommen scheint. Deine Wohnung, in der man zu frieren beginnt. Es herrscht Hoffnungslosigkeit in deinem Leben.«
Er lächelte schwach. »Ja. Das stimmt wohl.«
»Als ich diesen Brief fand, den ein anderer verzweifelter Vater an dich geschrieben hat, da spürte ich plötzlich, dass ich den Schlüssel in den Händen hielt. Dass die Tatsache, dass dich dein Sohn verlassen hat, eine weit größere Rolle in deinem Leben gespielt hat und noch spielt, als du irgendjemandem eingestehst. Du hast jedes Gespräch in diese Richtung abgeblockt, und ich fand das verständlich, aber du hast immer den Eindruck vermittelt, dich letztlich damit abgefunden zu haben. Diesen Schicksalsschlag sogar mit einiger Distanz betrachten zu können. Aber in Wahrheit … steckst du mittendrin.«
Er stützte den Kopf in beide Hände. »Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen, Rosanna. Ich wollte mich davon nicht fertigmachen lassen. Ich wollte nicht zu den Leuten gehören, die einem solchen Verein«, er wies auf den Brief, der auf dem Sofa lag, »beitreten. Ich finde den Ton des Briefs larmoyant. Ich mag Begriffe wie Leidensgenossen nicht. Ich glaube, ich mag überhaupt den Begriff Leiden im Zusammenhang mit mir nicht.«
»Warum hast du nicht um Josh gekämpft?«
»O
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