Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
orientierungslos drehte er sich im Kreis. Schließlich sank er auf die Knie und weinte wie ein kleines Kind.
Assaf klopfte dem Afrikaner sanft auf die schmale Schulter und versuchte ihn zu beruhigen. Er fragte sich, ob jemand solche Emotionen vortäuschen konnte. Gleichzeitig schloss er nicht aus, dass der Afrikaner ihm etwas vorspielte oder dass seine Verzweiflung über den Mord, den er begangen hatte und nun vielleicht bereute, so zum Ausdruck kam.
»Relax!«, brüllte er Moses an, als dieser sich partout nicht beruhigen wollte.
Der Schwarze schien daraufhin tatsächlich etwas ruhiger ein und aus zu atmen. »Marina wurde ermordet. Gestern Abend. Auf dem Ulpan-Gelände«, erklärte Assaf.
Moses schien zu begreifen, worauf der Kommissar hinauswollte. Er sprang wieder auf. »Ich war es nicht«, schrie er wie von Sinnen. »Ich habe Marina nichts getan. Ich hätte ihr nie etwas getan. Ihr wollt mir das anhängen, weil ich der Kuschi bin, wir sind doch immer an allem schuld.« Die Trauer verschwand aus seinen Augen, stattdessen sah Assaf dort nun Angst und Wut.
»Niemand will dir etwas anhängen. Du musst mit mir reden, damit ich den Mörder finde«, erwiderte Assaf. »Du musst mir sagen, was passiert ist. Warum habt ihr euch gestern Abend gestritten, du und Marina? Und auf wen hat sie angeblich noch gewartet?«
»I don’t know ...«, wiederholte Moses nur immer wieder. »Ich weiß es nicht. Ich war es nicht. Wir haben nicht gestritten. Marina ist alles für mich. Und sie will mir helfen. Ich habe ihr nichts getan.« Der Afrikaner vermischte jetzt alle Zeitformen, vielleicht hatte er die Vergangenheitsform auch noch nicht gelernt.
»Wobei wollte sie dir helfen?«, fragte Assaf weiter.
»Ein Visum zu bekommen.«
»Wie das?«
»Sie hatte die israelische Staatsbürgerschaft, und über ein Partnerschaftsvisum hätte ich auch in Israel bleiben können.«
»Wart ihr denn ein Paar?«
Moses schüttelte stumm den Kopf. Seine kurzen Rastas bewegten sich dabei kaum.
»Wieso brauchst du denn überhaupt ein Visum? Bist du denn kein Flüchtling?«
»Nein. Ich stamme aus Nigeria. Ich bin für einen Job der nigerianischen Botschaft nach Israel gekommen. Aber der ist ausgelaufen. Und mein Visum ist auch bald nicht mehr gültig. Und dann werde ich abgeschoben.«
Diese Entgegnung brachte Assaf auf eine Idee. »Wollte Marina dir plötzlich nicht mehr mit dem Visum helfen? Hast du sie deswegen getötet? Aus Wut?«, beschuldigte er Moses.
»Nein. Ich habe ihr nichts getan«, erwiderte der jungeSchwarze weinerlich, bevor er erschöpft in sich zusammensackte. Schweiß lief ihm von der Stirn. »Ich liebe sie.«
»Du kommst jetzt mit aufs Revier. Aber wehe, du machst Stress.« Assaf schaute den Afrikaner an und ahnte, dass der gar nicht mehr die Kraft hatte, sich zu wehren. Mit einer Hand packte er Moses am Handgelenk, mit der anderen zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte Yossis Nummer.
»Assaf«, meldete sich sein Kollege, »ich wollte dich auch gerade anrufen. Ich habe Jérôme nicht angetroffen, anscheinend ist er in der Uni, wie mir seine Mitbewohnerin berichtete. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Neve Sha’anan. Wo bist du? Hast du den Afrikaner gefunden?«
»Ja. Komm uns bitte abholen, wir sind in der Feinstraße.« Assaf legte auf.
Moses schaute ihn aus geschwollenen Augen ängstlich an.
»Yalla. Kadima. Vorwärts.« Assaf bedeutete ihm, aufzustehen. »Und dass du mir ja nicht ohnmächtig wirst.«
KAPITEL 3
Der Kommissar trommelte ungeduldig mit dem Finger auf den Tisch, der zwischen ihm und Moses stand. »Also, du und Marina, ihr habt draußen vor der Tür des Ulpans gesessen. Dann kam Jérôme dazu, ist aber kurze Zeit später mit dem Fahrrad weggefahren. Und einige Minuten danach bist auch du mit dem Fahrrad Richtung Strand gefahren, und Marina blieb zurück, weil sie sich noch mit jemandem treffen wollte?«
Der Verdächtige hob verzweifelt die Hände. »Ja. Kommissar Rosenthal. Das habe ich doch schon alles gesagt. Ich weiß nicht, mit wem Marina sich treffen wollte. Aber ich habe ihr nichts getan. Ich hätte ihr nie etwas tun können. Ich habe sie doch geliebt.«
»Die Reinigungskraft Mina Oved hat uns berichtet, dass du und Marina über irgendwas auf Englisch diskutiert, ja gestritten habt.«
Der Verdächtige schüttelte heftig den Kopf. »I don’t know. Ich weiß nicht, was sie meint. Wir haben nicht gestritten. Vielleicht haben wir über irgendetwas diskutiert. Ich weiß es nicht, ich kann mich
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