Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Kaffeklatsch?«, unterbrach Yossi das Gespräch der beiden Polizisten, die sich mittlerweile auf die weiße Couch gesetzt hatten.
»Nee, ich habe dem Kommissar gerade nur erklärt, wer Sulamith war«, erwiderte Schlomo.
»Sulamith?«, fragte Yossi überrascht.
»Ja, ich habe den Pass von Marina gefunden. Sulamith war ihr zweiter Vorname«, erklärte Assaf.
»Na, das passt ja wirklich wie die Faust aufs Auge«, erwiderte Yossi.
Assaf fragte sich, ob eigentlich jeder die Bibel besser kannte als er, und beschloss, zu Hause unbedingt das »Lied der Lieder« nachzulesen.
Yossi begann mit bedeutungsschwerem Ton zu rezitieren: »Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng.«
»Was ist das nun wieder?«, fragte Assaf, der sich mittlerweile wie im Club der toten Dichter vorkam.
»Paul Celan. Die Todesfuge. Aus der erfüllten Sulamith der Bibel wird bei ihm das Symbol jüdischen Leidens nach der Shoa. Das Hohelied war die Vorlage für eines der wichtigsten Gedichte der Holocaust-Lyrik. Sehr umstritten damals.«
»Sulamith war also die begehrenswerteste, schönste Frau von allen, und dann wird aus ihr das Symbol jüdischer Opfer. Der Versündigung am jüdischen Volk sozusagen ...«
Yossi unterbrach ihn und rief pathetisch: » Der Tod ist ein Meister aus Deutschland!«
»Verstehe«, kommentierte Assaf mit hochgezogenen Brauen, »interessant. Vielen Dank euch beiden für diesen Ausflug in die hohe Kunst der Poesie, aber wir haben hier noch ein bisschen zu tun. Können wir jetzt weitermachen?«
Seine beiden Kollegen tuschelten noch ein wenig aufgeregt, während Assaf sich umdrehte und weiter die Kommode untersuchte. Als er damit fertig war, ohne etwas Interessantes gefunden zu haben, klingelte sein Handy, und der Name Zipi erschien auf dem Display.
»Assaf, wir haben die Telefonnummern. Das letzte Gespräch war ein abgehender Anruf an einen gewissen David, genannt Dudu, Batito, anscheinend ein bekannter Zuhälter. Der letzte eingehende Anruf kam höchstwahrscheinlich aus einer Telefonzelle in Ramat Gan. Wir sind noch dabei, das genauer zu lokalisieren.«
Assaf bedankte sich bei Zipi. Dann winkte er Yossi zu sich.
»Kennst du einen Zuhälter namens Dudu Batito? Er war der Letzte, den Marina angerufen hat.«
»Dudu Batito? Klar kenne ich den. Der hat seinen Laden an der Bograshov. Ein bisschen bescheiden für die schöne Marina, der Puff ist etwas heruntergekommen. Dem werden wir gleich mal einen Besuch abstatten, oder?«
»Natürlich!«, stimmte Assaf zu und sagte, an Schlomo gerichtet: »Wir fahren los. Du machst hier weiter? Ich glaube, das Wichtigste ist der Laptop. Wo sie gearbeitet hat, wissen wir jetzt vielleicht. Nimm den Schlüssel bitte mit zurück ins Präsidium und gib ihn Zipi.«
»Hier ist es.« Yossi wies auf das niedrige Gebäude mit dem Kiosk und parkte den Wagen auf dem Bürgersteig. Der Kommissar ließ seinen Kollegen vorgehen und folgte ihm durch die niedrige Seitentür, die nicht sehr einladend aussah. Sie kamen in einen schummrigen Raum, dessen Zentrum eine Bar und ein paar Gogo-Stangen waren. Auf den Barhockern saßen zwei zwielichtige Gestalten.
»Was wollt ihr?«, fragte der eine mit hartem russischen Akzent.
»Wir suchen Dudu«, erklärte Yossi.
»Dudu gibt’s hier nicht«, antwortete der Russe knapp.
»Als ich den Laden hier noch regelmäßig mit meinen Leuten ausgeräumt habe, gab es hier noch einen Dudu. Nachdem wir da gewesen waren, gab es allerdings meistens erst einmal keine Kunden mehr«, meinte Yossi drohend.
»Ganz ruhig, mein Freund«, lenkte der Russe ein, dabei rollte er das »r« knurrend. »Ich habe nur gesagt, Dudu gibt es hier nicht mehr, weil der seinen Laden jetzt woanders hat. Wir sind jetzt hier«, erklärte er, ohne genauer zu definieren, wen er mit »wir« meinte.
»Okay. Und wenn du jetzt noch so nett wärst, mir zu sagen, wo Dudu arbeitet, wären wir auch schon wieder weg«, bot Yossi an.
»Sehe ich aus wie die Auskunft? Weiß ich doch nicht, wo der Marokkaner hin ist. Der hat irgendwo im Norden der Stadt einen Puff für Reiche aufgemacht.«
Yossi klopfte an eine der Gogo-Stangen, bevor Assaf und er das Bordell wieder verließen.
Im Auto rief Yossi einen ehemaligen Kollegen von der Sitte an, um zu erfahren, wo Dudu sein Luxus-Bordell eröffnet hatte. Zehn Minuten später hatten die beiden die Adresse. Das Freudenhaus lag anscheinend im obersten Stockwerk eines verglasten Hochhauses im Nobelstadtteil von Tel
Weitere Kostenlose Bücher