Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
sich etliche Fotografen versammelt hatten. Sie wählten den unauffälligen Weg in die Halle und besorgten sich erst einmal an der Bar ein paar kostenlose Drinks. Von weitem beobachtete Assaf Gili Deutsch, die Eigentümerin der Galerie. Sie hatte lange rote, lockige Haare und extrem glänzende blaugrüne Augen. Gili stand in einer Gruppe von gutaussehenden Menschen, aber sie stach heraus. Heute hatte sie sich als französische Fischerin verkleidet,mit blau-weiß gestreiftem Shirt und einer dunkelblauen Seemannsmütze. Wenn sie lachte, sah man ihre makellosen weißen Zähne. Sie entdeckte Assaf und winkte ihm fröhlich zu. Bevor er darauf reagieren konnte, wurden ihm von hinten die Augen zugehalten. Als er sich umdrehte, überraschte es ihn nicht, dass Tal Rotenberg hinter ihm stand. Sie drückte ihm einen Kuss auf den Mund und fing sofort an zu plappern. »Wie cool, dass du auch hier bist. Zweimal in einer Woche. Was für ein Glück ...«
Assaf nickte freundlich und antwortete, wenn sie ihm Fragen stellte, aber dann entschuldigte er sich und floh auf die Toilette. Dort setzte er sich auf die rote Samtcouch, die vor den Waschräumen stand, und lehnte seinen Kopf erschöpft an die Lehne. An der Decke hingen große Industrielampen, deren schwaches Licht gelblich schimmerte. Er nahm den letzten Schluck aus seiner Bierflasche und dachte an den Kuss mit Anat. Dann zog er sein Handy aus der Tasche, öffnete den Kontakt Anat Cohen im Telefonbuch und starrte einige Minuten auf die Zahlen. Schließlich tippte er auf die Nummer und rief sie an.
Anat klang verschlafen, als sie abnahm. Und verwundert. »Assaf?«
»Anat, schläfst du etwa schon?«
»Fast. Was ist denn los? Gibt es in unserem Fall was Neues?«
»Nein, ich bin hier nur auf einer Ausstellung in Jaffa und dachte, vielleicht hast du Lust, vorbeizukommen.«
Einen Moment war es still am anderen Ende. Dann sagte sie: »Assaf, es ist spät. Ich gehe jetzt nirgendwo mehr hin.«
»Ja, verstehe ich ... Ich könnte ja auch zu dir kommen«, wagte Assaf einen weiteren Vorstoß.
»Ist das hier ein Bootie Call?«, fragte sie ihn wütend.
»Vergiss es. Ich wollte nur ein wenig mit dir reden. Wir sehen uns morgen.« Dann legte er schnell auf.
»Assaf, warum sitzt du hier allein in der Ecke?«
»Gili.« Assaf sprang vom Sofa auf und umarmte die rothaarige Galeristin. »Tolle Ausstellung. Kompliment.«
»Ach, tu doch nicht so, als hättest du dir auch nur eins der Bilder überhaupt angeguckt.« Gili lachte ihn an.
Assaf grinste scheinbar verlegen. »Aber dich habe ich angesehen, du siehst toll aus.«
»Was willst du trinken? Los, ich zeig dir erstmal die Ausstellung. Ich werde dir die Kunst schon schmackhaft machen.«
Bevor Assaf etwas entgegnen konnte, zog Gili ihn an der Hand hinter sich her.
Nachdem sie sich zwei Bier besorgt hatten, führte sie ihn zum ersten Bild. »Also, das hier ist von Know Hope. Das ist der momentan angesagteste Street-Art-Künstler in Tel Aviv. Es ist ein Stück aus seiner Reihe ›The times won’t save you‹. Schau, wie zerbrechlich er seine Figuren malt. Und immer mit einem knallroten Herz. Hier hat er es auf die Brust gemalt wie ein Abzeichen. Das Bild heißt ›Verpflichtet und gebunden. Der Ballast, der das Schiff zum Sinken gebracht hat‹. Know Hope thematisiert unseren täglichen Kampf mit der Liebe. Wie können wir es schaffen, mit unseren schweren Herzen leicht zu lieben?«
Assaf schaute fasziniert zwischen ihren vollen Lippen und dem Bild, das sie ihm erklärte, hin und her. Dann zog Gili ihn schon zum nächsten Ausstellungsstück. Auch hier entdeckte Assaf die zerbrechliche, fischgrätenartige Figur, die das Markenzeichen des Künstlers zu sein schien. Siehielt einen alten Fernseher in ihren Armen. Das Herz war dieses Mal auf dem Oberarm der Figur angebracht. In dem Fernseher selbst sah man, wie sich zwei Menschen umarmten.
»Haltet euch aneinander fest – oder an allem, was ihr in die Finger bekommt«, las Assaf laut vor.
»Ja, ist es nicht das, was wir alle wollen? Festgehalten werden?«, kommentierte Gili melancholisch.
Assaf schaute sie an. Eben noch sentimental, blitzten ihre Augen nun wieder übermütig. Warum hatte er nie mit ihr geschlafen? Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ich glaube, heute Nacht würde ich gerne, dass du mich festhältst.« Sie blinzelte ihn verführerisch an. Selbst ihre Augenbrauen schimmerten rot. Der DJ spielte »Wild Horses« von den Rolling Stones. Ohne den Blick von ihm zu
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