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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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neben
Bierstein, und nun waren wir alle an unseren alten Plätzen. Außer Inge und
Doktor Bergius.
    »So, meine Damen und Herren«, hörte ich
Nogees, »nun wollen wir nur versuchen nachzumachen, wie es war, als die
Punktion beendet war und Doktor Bergius hinausgefahren wurde. Wer ging als
erster hinaus? Sie, Doktor Bold?«
    »Ich nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß,
»ich stand im Weg und ging zur Seite. Inge rollte die Trage zur Tür.«
    »Aha. Weiter?«
    »Äh — hm«, Maria schluckte, »die erste
war ich, glaube ich. Schwester Inge ging dann zum Kopfende, und ich nahm den
Griff an den Füßen — hier — und dann schoben wir die Trage hinaus...«
    »Alle die Herrschaften blieben zurück?«
    »Nee«, sagte Bierstein. »Nee. Ich
quetschte mich an der Trage vorbei und raus.«
    »Da war Schwester Maria aber schon
durch die Tür durch?«
    »Ja.« Bierstein und Maria sagten es
gleichzeitig.
    »Und dann?«
    »Dann ging ich hinterher«, sagte ich.
    »Auch als die Trage noch halb in der
Tür stand?«
    »Ja.«
    »Und bitte weiter.«
    Zum erstenmal sprach die Stagg.
    »Ich glaube, dann kam ich. Ja,
bestimmt. Inge und Schwester Maria schoben die Trage zur Tür hinaus. Ich ging
hinter Inge her, ja, ich weiß noch, ich schob den stummen Diener etwas zur
Seite, weil hier«, sie schlug mit der Hand auf die rechte obere Ecke der Trage,
»weil Inge damit daran gestoßen war...«
    »Stand die Streptomycinflasche noch
darauf?«
    Edeltraud lächelte etwas ratlos.
    »Ich muß ehrlich sagen, Herr Kommissar,
ich habe nicht darauf geachtet. Ich sah auf die Trage und den Patienten. Ja,
und dann war ich auch schon draußen...«
    »Vielen Dank, Fräulein Doktor.« Nogees
sprach sanft und hob seinen Kopf schnell in Pinkus’ Richtung. »Also waren Sie
der letzte im Raum, Doktor Pinkus?«
    »Einer muß der letzte sein, Herr
Kommissar«, sagte Pinkus fröhlich.
     
     
     

VI
     
    Nogees nickte ihm mit freundlichem
Verständnis zu. »Natürlich. In der Schule ist es auch so. Und wann gingen Sie
hinaus?«
    »Überhaupt nicht, Herr Kommissar. Ich
bin hiergeblieben.«
    »Warum?«
    »Ich hatte anschließend ein paar
Untersuchungen, außerdem Spritzen und Infusionen. Ich habe gewartet, bis Maria
und Inge zurückkamen. Dann haben wir weitergemacht.«
    »Bis dahin waren Sie hier allein?«
    »Ganz allein.«
    »Haben Sie die Flasche auf dem stummen
Diener noch gesehen?« Pinkus drehte die Handflächen nach oben und hob die
Schultern.
    »Es geht mir wie Fräulein Doktor. Ich
habe nicht darauf geachtet. Ich habe den Tisch gesehen, er stand immer noch da
hinten, aber die Flasche... keine Ahnung.«
    »Was haben Sie gemacht in der
Zwischenzeit?«
    »Mich an den Schreibtisch gesetzt und
mir die Krankenblätter zurechtgelegt. Und Löcher in die Luft gestarrt.«
    »Stimmt das, Schwester Maria?«
    »Ja, äh, ich meine, Herr Doktor saß am
Schreibtisch...«
    »Und die Streptomycinflasche?«
    Man konnte förmlich Marias Herzklopfen
hören.
    »Ich weiß nicht, ob sie zu dieser Zeit
noch dagewesen ist, Herr Kommissar. Wir haben gleich weitergearbeitet. Ich habe
den Tisch beiseite geschoben, aber aufgeräumt habe ich erst später, als alles
fertig war.«
    »Und da merkten Sie, daß die Flasche
fehlte?«
    »Ja. Da merkte ich es.«
    »Hm.« Nogees sah im Kreise herum.
»Vielleicht können wir nun einmal probieren, wie es zuging, als der Patient
hinausgefahren wurde. Ich kann Ihnen allerdings jetzt nicht behilflich sein,
Schwester Maria. Bitte!«
    Maria ergriff die Trage am Fußende.
Langsam rollte der leere Tisch auf die Tür zu. Bierstein stand auf, wartete
einen Augenblick, ging an der Trage vorbei zur Tür hinaus, als Maria sie
passiert hatte. Ich folgte unmittelbar hinter ihm. Maria rollte weiter. Das
Kopfende schob sich über die Schwelle. Ich blickte von draußen zurück,
Bierstein ebenfalls. Die Doktorin kam hinter uns her, schob den stummen Diener
etwas zur Seite. Dann war auch sie hinaus. Der Kommissar und Pinkus standen
unverändert an ihren Plätzen.
    »Ich danke Ihnen sehr«, sagte Nogees.
»Bitte noch einmal.«
    Es war wie beim Film. Wir vollführten
das gleiche Theater noch einmal. Dann gingen wir ins Zimmer zurück. Nogees sah
nicht aus, als ob ihm die Vorstellung viel eingebracht hätte.
    »Sie setzten sich gleich an den Schreibtisch,
Doktor Pinkus?«
    »Gleich.«
    »Wer von Ihnen ist nach der Punktion
noch einmal in dieses Zimmer zurückgekommen?«
    Die Frage hatte ich erwartet. Pinkus
antwortete.
    »Niemand außer Inge und Maria. Ein

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