Die letzte Walstatt - Covenant 03
verschließen; er war zu schwach, aber er konnte sich nicht verweigern. »Nein. Lord Foul ist's, der Verzweiflung lehrt. Sie ist leichter zu lernen als Mut.« Langsam wandte er sich um, erwiderte erst Quaans Blick, dann auch die Blicke der anderen Lords. »Viel leichter zu lernen«, bekräftigte er. »Deshalb können die Prediger von Verzweiflung und Haß niemals über die Bosheit obsiegen.«
Aber seine Antwort vertiefte Quaans Pein lediglich. Weißliche Knoten des Mißbehagens traten in seiner verkrampften Miene hervor. »Ach, mein Hoch-Lord«, stöhnte er mit brüchiger Stimme auf. »Warum säumst du dann? Warum hast du Furcht?«
»Weil ich sterblich bin und schwach. Der Weg ist nur klar – jedoch nicht sicher. Vormals in meinem Leben war ich Seher und Orakel. Nun ... nun ersehne ich ein Zeichen. Ich wünschte, ich hätte noch Gesichte.«
Er sprach mit schlichten Worten, doch augenblicklich wuchsen seine Sterblichkeit und Schwäche schier über seine Standhaftigkeit hinaus. Tränen machten sein Blickfeld verschwommen. Die Bürde war von einer Schwere, daß er sie unmöglich allein tragen konnte. Er breitete seine Arme aus und sank in die Umarmung seiner Mit-Lords.
Ihre geistige Verschmelzung griff auf ihn über, erfaßte ihn in der Woge ihrer gemeinsamen Sorge. Umfangen von ihren Armen und Gedanken, spürte er, wie ihre Zuneigung sein Gemüt besänftigte, ihn tränkte wie Wasser nach langem Durst, seinen Hunger stillte. Während der gesamten bisherigen Belagerung hatte er ihnen von seiner Stärke gegeben, und nun gaben sie ihm davon zurück. In ruhiger Schüchternheit erneuerte Lord Trevor sein verkrüppeltes Gefühl des Durchhaltewillens im Dienst am Lande – eine Gnade, die nicht von jenem kam, der diente, sondern von der Kostbarkeit der Dinge, denen er seine Dienste erwies. Lord Loerja teilte mit ihm ihre tiefverwurzelte Veranlagung zum Schutzgewähren, ihre Fähigkeit, für Kinder in den Kampf zu ziehen – für geliebte Menschen, die sich nicht selber verteidigen konnten. Und Amatin gab ihm, obwohl sie selbst an Gebrechlichkeit litt, die klare, wirrnisfreie Gesamtheit ihrer erarbeiteten Erkenntnisse, ihres Lehren-Wissens – ein außerordentliches Geschenk, das sie ihm, losgelöst von ihrem Argwohn gegenüber Gefühlen, um seinetwillen machte.
In einer solchen geistigen Verschmelzung mußte er sich schlichtweg zu erholen beginnen. Erst jetzt schien wieder Blut durch seine Adern zu fließen; seine Muskeln entkrampften sich; seine Knochen erinnerten sich ihrer Härte. Tief in seinem Innern eignete er sich die Gaben der anderen Lords an, und umgekehrt teilte er mit ihnen alle seine Einsichten, die ihm seine Entscheidung aufgezwungen hatten. Dann ruhte er in ihrer Zuneigung aus und ließ sich davon mit Ruhe erfüllen.
Sein Schmachten nach dem Erlebnis der Geistesverschmelzung schien nachgerade bodenlos zu sein, aber nach einer Weile unterbrach eine durchdringende Stimme die Verbindung, in der so viel sonderbare Erregung mitschwang, daß keiner der Lords ihr seine Beachtung verweigern konnte. Eine Wache kam in die Vorhalle gestürmt, lärmte um Aufmerksamkeit, und die Frau schrie: »Der Wütrich wird angegriffen!«, als die Lords sich ihr zuwandten. »Sein Heer ... das Heerlager ... wird angegriffen. Von Wegwahrern! Sie sind wenige ... wenige nur ... aber der Wütrich hat an jener Seite keine Schanzen, und sie haben bereits großen Schaden angerichtet! Er hat seine Scharen von Schwelgensteins Mauern zurückgerufen, um sich der Wegwahrer zu erwehren.«
Hoch-Lord Mhoram wirbelte herum, befahl den Kriegern volle Bereitschaft, als er sich in Bewegung setzte. Er hörte Streitmark Quaan seine Befehle brüllend wiederholen. Die beiden wechselten einen Blick, der dem Wütrich Böses verhieß, dann sprang Quaan auf sein Pferd, einen zähen Hengst, der aus den Bergen stammte. An einer Seite sah Mhoram zwischen den Kriegern Herdwart Borillar aufsteigen. Zuerst wollte er Borillar befehlen, wieder abzusteigen; Herdwarte waren keine Kriegsleute. Doch da besann er sich darauf, wieviel Hoffnung Borillar Thomas Covenant entgegengebracht hatte, und ließ dem Herdwart seinen Willen.
Loerja befand sich schon unterwegs in den Turm, um dort die Verteidigung zu verstärken, damit die Krieger dazu imstande seien, sicher ins Innere Schwelgensteins zurückzukehren. Trevor war zum Tor gegangen. Nur Amatin stand noch da und sah die wiedererwachte Drohung in Mhorams Augen glitzern. Kurz drückte sie ihn zum Abschied. »Man möchte
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