Die letzte Walstatt - Covenant 03
möchte ich dir ein Geschenk machen. Bitte erlaub's mir.«
»Nein.« Covenants Weigerung fiel eher müde als zänkisch aus. Er konnte sich nichts anderes vorstellen, das er annehmen würde.
»Ich kann dich ins Land zurückbringen. Du könntest den Rest deines Lebens gesund und in höchsten Ehren verleben, wie es einem großen Helden zusteht.«
»Nein.« Erbarmen. Das könnte ich nicht aushalten. »Es ist nicht meine Welt. Ich gehöre nicht dorthin.«
»Ich kann dich lehren, zu glauben, daß deine Erlebnisse im Lande Wirklichkeit gewesen seien.«
»Nein.« So einfach ist das nicht. »Davon müßte ich bloß verrückt werden.«
Wieder schwieg die Stimme für einige Zeit. »Nun gut«, sagte sie dann in aus Bedauern scharfem Ton. »Hör mich an, Covenant, bevor du nochmals ablehnst! Folgendes muß ich dir mitteilen. Als die Eltern des Kindes, das du gerettet hast, deine Tat begriffen, versuchten sie, dir zu helfen. Du warst verletzt und vom Hunger geschwächt. Die Anstrengungen, die es dich kostete, das Kind zu retten, beschleunigte die Ausbreitung des Gifts in deiner Lippe. Dein Zustand war ernst. Deshalb brachten sie dich zur Behandlung in ein Krankenhaus. Zu dieser Behandlung gehört etwas, das die Heiler deiner Welt ein ›Schlangenserum‹ nennen. Dies ›Schlangenserum‹, Thomas Covenant, ist aus dem Blut von Pferden hergestellt. Dein Körper scheut es ... du bist, wie man sagt, ›allergisch‹ gegen dies ›Schlangenserum‹ aus Pferdeblut. Dein Körper wehrt sich mit aller Heftigkeit dagegen. In deinem schwachen Zustand kannst du nicht überleben. In diesem Augenblick stehst du an der Schwelle zu deinem wirklichen Tode. Thomas Covenant, hör mich an!« Die Stimme verhauchte Mitgefühl. »Ich kann dir das Leben erhalten. In dieser Zeit der Not kann ich deinem bedrängten Fleisch die Kraft geben, derer es bedarf, um zu überdauern.«
Eine Zeitlang antwortete Covenant nicht. Irgendwann in seiner halbvergessenen Vergangenheit hatte er einmal gehört, daß manche Menschen allergisch gegen das bei Klapperschlangenbissen erforderliche Serum waren. Die Ärzte in der Klinik hätten ihn wohl genauer untersuchen sollen, ehe sie ihm eine volle Dosis verabreichten; aber wahrscheinlich war er schon in so tiefem Schock gewesen, daß keine Zeit geblieben war für umfangreiche Voruntersuchungen. Für einen Moment erwog er die Möglichkeit, unter ihrer Obhut zu sterben, als eine Art von Rache.
Aber er verwarf diese Idee, trotzte dem Selbstmitleid, das dahinter stak. »Ich glaube, ich würde lieber überleben«, murmelte er. »So möchte ich nicht sterben.«
Die Stimme verriet ein Lächeln. »Es ist gewährt. Du wirst leben.«
»Ich werd's glauben«, entgegnete Covenant im Zwang seiner Gewohnheit, »wenn ich's sehe.«
»Du wirst es sehen. Aber zuvor sollst du noch etwas anderes sehen. Du hast um dies Geschenk nicht gebeten, doch ich will's dir machen, ob du's wünschst oder nicht. Ich habe deine Zustimmung nicht eingeholt, als ich dich fürs Land auserwählte, und ich verzichte auch nun auf deine Zustimmung.«
Bevor Covenant Einspruch erheben konnte, spürte er, daß die Stimme ihn bereits verlassen hatte. Wieder war er in der Finsternis allein. Das Vergessen schaukelte ihn so behaglich dahin, daß er seinen Entschluß zum Überleben beinahe bereute. Doch dann begann sich rings um ihn irgend etwas zu verändern, Schattierungen entstanden. Ohne Sehvermögen, Gehör oder Tastsinn zu besitzen, gewahrte er auf einmal Sonnenschein, leise Stimmen, einen sanften, warmen Wind. Er schaute wie von einem hohen Hügel herab über den Glimmermere-See.
Die klaren Wasser des Sees reflektierten den Himmel in tiefem, blankem Azurblau, und der Wind roch ein wenig nach Frühling. Die Hügel rings um Glimmermere trugen die Narben von Lord Fouls widernatürlichem Winter. Aber schon begann aus dem von Kälte versengten Erdboden Gras zu sprießen, und ein paar widerstandsfähige Frühlingsblumen schwankten wacker im Wind. Die Flächen bloßer Erde hatten ihr Aussehen grauer, froststarrer Leblosigkeit verloren. Die Heilung des Landes hatte ihren Anfang gemacht.
Hunderte von Menschen waren um den See versammelt. Covenant erspähte Hoch-Lord Mhoram. Er schaute ostwärts über den Glimmermere aus. Er trug keinen Stab. Seine Hände waren dick verbunden. Zu seiner Linken standen die Lords Trevor und Loerja mit ihren Töchtern, rechts von ihm war Lord Amatin zu sehen. Sie alle wirkten aufrichtig froh, aber Mhorams heitergelassener Blick
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