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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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dagegen nichts unternehmen. Er vermochte kaum noch zu atmen; der Wind brauste mit solcher Wildheit an ihm vorbei, daß er nur gänzlich unzureichende Schnaufer tun konnte. Jeurquins Gewicht wirkte bald untragbar. Mit hölzern ruckhaften Bewegungen verharrte er. Aus schlichtem, unerfüllbarem Bedürfnis nach einer Atempause schob er Jeurquin von sich, zwang ihn dazu, aus eigenen Kräften aufrecht zu bleiben. Jeurquin torkelte, wankte ein paar Schritte weit durch den Wind und verschwand urplötzlich aus der Sicht – verschwand so spurlos, als habe ihn der Schlund des Ungewitters schlagartig verschlungen.
    »Jeurquin!« schrie Triock. »Jeurquin!«
    Er sprang seinem Gefährten nach und fuchtelte, tastete wie besessen nach ihm. Für einen Augenblick konnte er eine verschwommene Gestalt knapp außerhalb seiner Reichweite dahintreiben sehen. »Jeurquin!« Doch da war sie bereits wieder weg, vom wüsten Wehen in die Ferne zerstoben wie eine Handvoll brüchigen Laubs.
    Er lief hinterdrein. Er war sich kaum noch Quirrels Griff an seinem Mantel bewußt oder des Sturms, der seinen Rücken peitschte, ihn südwärts scheuchte, fort von seinem Ziel. Die Furcht um Jeurquin verdrängte jeden anderen Gedanken aus seinem Geist. Auf einmal war er nicht länger der Überbringer unüberbringbarer Botschaften an die Lords. Mit einer heftigen Aufwallung verwandelte er sich wieder in den einfachen Mann Triock, Thulers Sohn, den einstigen Viehhirten, dem es unmöglich war, einen Freund im Stich zu lassen. Er rannte mit dem Wind und suchte Jeurquin, als hinge davon sein Seelenheil ab.
    Aber der Schnee traf seinen Rücken wie eine zur Marter ausgedehnte Tracht Prügel; der Wind heulte und kläffte ihm in die Ohren, lockerte die Vertäuung seiner Gemütsfestigkeit, die Eiseskälte fraß ihm die Kraft aus dem Leib, schwächte ihn, als gefriere ihm im wahrsten Sinne des Wortes in den Adern das Blut. Er war dazu außerstande, Jeurquin zu finden. Er mußte in der Dunkelheit unbemerkt an seinem Freund vorübergelaufen sein, oder Jeurquin hatte irgendwo genug Kräfte aufgebracht, um sich von neuem gegen den Sturm durchzusetzen; oder der Verwundete war zusammengebrochen und bereits vom Schnee zugedeckt. Triock rief ihm nach, lief hin und her, kämpfte sich, während er mit den Armen umhertastete, durch die Trübnis, aber nirgendwo begegnete er irgend etwas anderem als nur immer wieder dem Wind. Als er sein Haupt Quirrel zudrehen wollte, stellte er fest, daß bereits fingerdick Eis auf seinen Schultern haftete, seinen Hals starr hemmte, als sei er festgefroren. Der eigene Schweiß geriet auf ihm zu einer Eisschicht. Er vermochte der Wucht des Sturms nicht zu widerstehen. Wenn er nicht, wie qualvoll auch immer, im Wind weiterwankte, würde er stürzen und sich nie wieder erheben.
    Er stapfte weiter, bis er Jeurquin, Covenant und alle Botschaften vergessen, alles vergessen hatte, ausgenommen die Bewegung seiner Schritte und Quirrels starren Griff an seinem Mantel. Er besaß keine Vorstellung, wohin er seine Schritte lenkte; er strebte nirgends hin, nur weiter im Wind, immerzu mit dem Wind.
    Allmählich gewann der Sturm rings um ihn an Lautlosigkeit, während eine harsche Schneekruste seine Ohren zufror. Achtlos legte er eine Länge um die andere zurück. Als er unerwartet auf schrägen Untergrund gelangte, fiel er auf Hände und Knie. Eine Woge von Taubheit und Gleichgültigkeit durchschwappte ihn, als schösse sie ihm vom Biß des Frostes in seine Hände und Füße empor in den Leib.
    Irgend etwas schüttelte sein Haupt, etwas schlug von der Seite auf sein Haupt ein. Zuerst schützte ihn das Eis, aber dann löste es sich mit einem reißenden Schmerz, als sei damit sein Ohr abgebrochen. Erneut drang das Geheul von Winddämonen auf ihn ein, und fast hätte er Quirrels Rufen nicht gehört. »... die Hügel! Ins Vorgebirge! Hinunterklettern! Deckung suchen!«
    Er war ein alter Mann, zu alt für solche Mühen.
    Ein starker Steinhausener und Viehhirt war er, und er hatte nicht die Absicht, einen sinnlosen Erfrierungstod zu sterben. Er raffte sich auf, kämpfte sich empor.
    Schwächlich mit dem Rücken in den wütigen Wind gelehnt, erstieg er den zerklüfteten Hang. Undeutlich fiel ihm auf, daß sowohl der Wind wie auch das Schneetreiben nun schwächer waren; aber nach wie vor konnte er nichts sehen: der Sturm selbst war mittlerweile von Nacht umhüllt. Sobald der Abhang zu steil war, als daß der Rückenwind ihn noch beim Aufstieg hätte unterstützen

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