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Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Gesicht in ihre Haare. Nicht aus Lust, dachte sie. Es dauerte einen Moment, bis sie den Tenor seiner Umarmung begriff. Er suchte Trost. Er war zu ihr gekommen, um sich trösten zu lassen. Das hatte noch nie jemand getan.
    Sie tätschelte seinen Rücken, hielt dann aber inne, schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, was sie in so einer Situation gerne hätte. Sie fing an, ihm mit kreisenden Bewegungen über den Rücken zu reiben, bis sie ihn seufzen hörte.
    »Das Wasser kocht«, sagte sie zu ihm, als der Kessel pfiff.
    »Ja.« Aber er löste sich nur zögernd von ihr.
    »Du solltest hereinkommen. Ich muss die Tür abschließen.«
    »Okay, ich kümmere mich um den Tee.«
    Als sie alles abgeschlossen hatte, goss er gerade Wasser in die bauchige Teekanne, in die sie bereits Teeblätter getan hatte.
    »Zitronenmelisse, stimmt’s? Meine Mutter gießt sich abends auch manchmal Tee davon auf.«
    »Er wirkt entspannend.«
    »Ich kann ein bisschen Entspannung brauchen.«
    Sie holte eine zweite Teetasse mit Unterteller aus dem Schrank. »Geht es deinem Freund gut?«
    »Nicht wirklich.«
    »Oh.« Sie schämte sich plötzlich, weil sie vorhin so verärgert gewesen war. »War er verletzt?«
    »Er hat einen Faustschlag ins Gesicht bekommen, aber das ist ihm früher schon passiert. Und es wird ihm wahrscheinlich irgendwann auch noch einmal passieren.«
    Schweigend stellte sie die Tassen mit Löffeln, die Teekanne und die Zuckerschale auf den Tisch. »Du solltest dich setzen. Du siehst müde aus. Wir müssen uns das Teesieb teilen, wenn er gezogen hat. Ich habe nur eins.«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    Unsicher blieb sie stehen, als er sich setzte. »Möchtest du etwas essen? Ich kann die Lasagne in den Ofen schieben.«
    »Nein. Nein danke.«
    »Du bist so traurig«, stieß sie hervor.
    »Ja, zum Teil. Ich bin auch furchtbar wütend, aber bis morgen muss ich beides abstellen.«
    »Willst du es mir erzählen, oder soll ich lieber das Thema wechseln?«
    Er lächelte ein wenig. »Setz dich einfach, Abigail, und trink deinen Tee.«
    »Ich weiß nicht, ob ich gut darin bin«, sagte sie, als sie sich setzte.
    »Worin? Im Teetrinken?«
    »Im Trösten. Oder als Blitzableiter. Da du wütend und traurig zugleich bist, ist es wohl beides.«
    Er legte kurz seine Hand auf ihre, dann schenkte er den Tee ein. »Das können wir ja herausfinden. Das Hotel gehört schon seit drei Generationen der Familie von Russ. Für sie ist es nicht nur ein Geschäft, nicht nur etwas zum Geldverdienen.«
    »Es ist ein wesentlicher Teil ihrer Familiengeschichte und ihr Platz in der Gemeinschaft.«
    »Ja. Es steckt viel Stolz und Liebe darin. Justin Blake, hast du von den Blakes gehört?«
    »Ja. Eine vermögende, einflussreiche Familie hier.«
    »Justin ist ein verwöhnter, ungezogener Bengel mit zahlreichen Strafzetteln wegen Trunkenheit am Steuer und schlechtem Benehmen. Er hätte ein Vorstrafenregister so lang wie mein Bein, wenn sein Vater nicht jedes Mal sein Geld, seinen Einfluss oder auch politischen Druck – je nachdem, was gerade angebracht ist – anwenden würde, um ihn herauszuholen. Der Junge hat weder Respekt vor dem Gesetz noch vor sonst etwas.«
    »Es ist schwierig, jemandem Respekt beizubringen, wenn er sich ständig ungestraft schlecht benehmen darf. Entschuldigung«, fügte sie rasch hinzu, »ich soll ja nur zuhören.«
    »Du darfst ruhig was sagen. Auf jeden Fall haben er und zwei andere Arschlöcher, mit denen er rumhängt, die beste Suite im Hotel gebucht und sie demoliert. Sie haben sie völlig zerstört.«
    »Warum?«
    »Wegen des Kicks, aus Langeweile, weil sie Gelegenheit dazu hatten. Such dir einen Grund aus.« Brooks zuckte mit den Schultern, dann rieb er sich mit den Händen übers Gesicht. »Russ ist hinaufgegangen, weil Gäste sich über den Krach beschwert haben, um mit ihnen zu reden. Das Ende vom Lied ist, dass Justin ihm einen Fausthieb versetzt hat, sich auch auf den Wachmann stürzen wollte und festgenommen wurde. Und dieses Mal kommt er nicht davon. Es sieht so aus, als würde der Schaden hunderttausend übersteigen.«
    »Das ist viel Geld.«
    »Ja, und Russ und seine Eltern werden nicht einknicken, wenn Lincoln Blake Druck auf sie ausüben will. Ich habe heute Abend seine Anzeige aufgenommen.«
    »Und du wirst auch nicht einknicken.«
    »Nein. Justin und seine Kumpels verbringen die Nacht im Gefängnis. Morgen wird die Kaution verhandelt, dafür wird Blake schon sorgen. Aber für Justin gibt es nur zwei

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