Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
eigentlich noch warten, bevor ich dir … alles erzähle.«
    »Morgen ist ebenso gut wie heute.«
    »Ich weiß nicht, ob ich morgen noch den Mut dazu habe.«
    »Dann erzähl mir, wovor du Angst hast.«
    »Vor so vielem. Aber jetzt im Moment habe ich am meisten Angst davor, dass ich dir alles erzähle, und du empfindest dann nicht mehr das Gleiche für mich.«
    Brooks ergriff einen Stock und warf ihn. Bert blickte Abigail an, sie gab ihm das Signal, und er jagte hinterher. »Liebe kann man nicht an- und ausschalten wie einen Lichtschalter.«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe noch nie geliebt. Ich habe Angst, deine Liebe und dich zu verlieren. Alles das hier zu verlieren. Du hast eine Pflicht, aber vor allem hast du einen Ehrenkodex. Ich kannte einmal einen Mann wie dich. Wie sehr du ihm ähnlich bist, war mir anfangs gar nicht klar. Er starb, weil er mich beschützt hat.«
    »Vor wem?«
    »Das ist kompliziert.«
    »Okay. Hat er dich geliebt?«
    »Nicht so, wie du es meinst. Es war nichts Romantisches oder Sexuelles. Es war seine Pflicht. Aber darüber hinaus bedeutete ich ihm auch etwas. Er war der erste Mensch in meinem Leben, der sich etwas aus mir machte.« Sie drückte eine Hand auf ihr Herz. »Nicht wegen meines Status oder meiner Leistungen, sondern einfach nur wegen mir.«
    »Du hast gesagt, du kennst deinen Vater nicht, also war es nicht dein Vater. Ein Polizist? Pflicht. Warst du im Zeugenschutzprogramm, Abigail?«
    Ihre Hand zitterte. Sah er es oder spürte er es nur? Auf jeden Fall ergriff er ihre Hand und wärmte sie.
    »Ich wurde beschützt. Man hätte mir eine neue Identität, ein neues Leben gegeben, aber … es ging alles furchtbar schief.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Ich war sechzehn.«
    »Sechzehn?«
    »Ich wurde siebzehn an dem Tag …« Johns Blut an ihren Händen. »Ich erzähle es dir nicht richtig, aber das liegt daran, dass ich mir nie vorstellen konnte, es überhaupt jemandem zu erzählen.«
    »Warum fängst du nicht am Anfang an?«
    »Ich bin nicht sicher, was der Anfang ist. Vielleicht war es ja der Moment, als mir klar wurde, dass ich keine Ärztin werden wollte, und das wusste ich mit Sicherheit in meinem ersten vormedizinischen Semester.«
    »Und danach ging alles schief?«
    »Nein. Ich hatte damals das vormedizinische Semester beendet und alle Voraussetzungen erfüllt, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden. Wenn ich nach den Plänen meiner Mutter weitergemacht hätte, hätte ich im Herbst darauf Medizin studiert.«
    »Du hast doch gesagt, du wärst sechzehn gewesen.«
    »Ja. Ich bin sehr intelligent. Ich habe mehrere Schuljahre übersprungen. In meinem ersten Jahr in Harvard habe ich bei einer Familie gewohnt, die meine Mutter ausgesucht hatte. Sie waren sehr streng, weil meine Mutter sie dafür bezahlte. Danach durfte ich ein Semester lang alleine wohnen, in einem Studentenwohnheim, aber sorgfältig überwacht. Ich glaube, meine Rebellion begann an dem Tag, als ich mir meine erste Jeans und meinen ersten Hoodie kaufte. Es war aufregend.«
    »Warte mal. Du warst mit sechzehn im vormedizinischen Semester in Harvard und hast dir deine erste Jeans gekauft?«
    »Meine Mutter hat mir meine gesamte Garderobe gekauft.« Das kam ihr immer noch ungeheuer vor, und sie lächelte, als sie fortfuhr. »Es war schrecklich. Du hättest mich keines Blickes gewürdigt. Ich wollte so gerne wie die anderen Mädchen sein. Ich wollte am Telefon über Jungs quatschen und SMS verschicken. Ich wollte so aussehen, wie Mädchen in meinem Alter aussahen. Und Gott, Gott, ich wollte nicht Ärztin werden. Ich wollte zum FBI gehen und Computerkriminalität bekämpfen.«
    »Das hätte ich mir eigentlich denken können«, murmelte er.
    »Ich nahm an Kursen teil, studierte online. Wenn sie es gewusst hätte … ich weiß nicht, was sie getan hätte.«
    Sie blieb an dem Aussichtspunkt stehen, wo sie gerne eine Bank gehabt hätte, und fragte sich, ob sie jetzt wohl noch einen Grund haben würde, sie zu kaufen. Aber es war zu spät, um mit dem Erzählen aufzuhören.
    »Sie versprach mir, ich könne den Sommer über frei haben. Eine Reise, eine Woche in New York und dann Strandurlaub. Sie hatte es versprochen, und das brachte mich durch das letzte Schuljahr. Aber dann hatte sie es auf einmal so eingerichtet, dass ich am Sommerprogramm von einem ihrer Partner teilnehmen sollte. Das bedeutete intensives Lernen, Laborarbeit. Es hätte gut auf meiner Vita ausgesehen und mein Examen sicherlich beschleunigt. Aber ich bot

Weitere Kostenlose Bücher