Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
war schon seit Monaten auf einen Kampf aus. Mit Rosa. Mit Chris. Er stellte für Rosas Herrschaft die eine Bedrohung da, vor der sie sich unablässig fürchtete. Allein schon aus dem Grunde mochte Chris den Mann nicht. Er hatte auch den leisen Verdacht, dass Rosa nicht so gezögert hätte, ihre Beziehung öffentlich zu machen, wenn Falco nicht da gewesen wäre.
Dennoch wollte er nicht derjenige sein, der den brüchigen Frieden aufkündigte. Rosa sprach zwar ohnehin nicht mit ihm, aber er wollte ihr nicht auch noch einen Grund verschaffen, ihm vorzuwerfen, dass er die Ordnung in Valle untergrub.
»Was hast du denn da?« Lem schnappte sich den Brief und riss dabei eine Ecke ab.
Zum Teufel mit der Diplomatie!
Chris machte sich gar nicht erst die Mühe, etwas zu sagen. Er sprang vom Tisch auf und versetzte Lem einen Fausthieb auf den Mund. Lem drehte sich, stolperte und prallte gegen einen leeren Tisch, um dann halb ausgestreckt auf dem Boden zu landen. Blut sickerte ihm aus dem Mundwinkel.
Chris setzte einen Stiefel auf Lems Handgelenk und holte sich Tillys Brief zurück. »Das gehört mir.«
»Du kannst meinen Mann nicht schlagen«, knurrte Falco.
»Komisch«, sagte Chris und schob sich das gefaltete Papier in die hintere Hosentasche. »Ich dachte, wir wären alle Bravos? Rosas Männer?«
»Manche mehr als andere, du Hurensohn.«
Es wurde still in der Taverne. Alles Gabelkratzen auf den Tellern kam zum Erliegen. Niemand sagte etwas; alle atmeten kaum. Seit der Initiation hatten die anderen Chris anscheinend stillschweigend als Rosas Stellvertreter betrachtet. Er hatte geholfen, die Stadt zu verteidigen. Er hatte Frauen hergebracht und sie gesundgepflegt. Er hatte Tillys Baby auf die Welt geholt. Jede Kränkung, die Chris galt, war in gewissem Maße auch ein Angriff auf Rosas Herrschaft.
Vielleicht konnte er seinen Kampf doch bekommen. Er gab sich die Erlaubnis, es geschehen zu lassen. An die Konsequenzen konnte er später denken.
Er streckte die Finger und ballte sie dann zu Fäusten. »Was soll das denn heißen?«
»Es heißt, dass du Rosa nahestehst.« Falco wandte sich mit erhobenen Armen an die Anwesenden. »Ich glaube, wir verdienen alle zu wissen, wie nahe.«
»Warum glaubst du, dass es dich auch nur das Geringste angeht, wohin ich meinen Schwanz stecke?«
»Weil sie tabu ist, Mann. Kein Fremder kommt vor uns anderen an die Reihe.«
Chris’ Blut kochte vor Zorn. Die Vorstellung, dass Männer eine Schlange bildeten, um bei Rosa an die Reihe zu kommen, war auf zu vielen Ebenen ekelerregend, besonders in Anbetracht dessen, was er über ihre Vergangenheit wusste. Eher würde er sie allesamt erstechen, als zuzulassen, dass auch nur ein einziger Rosa anrührte.
»Eine Frau hat das Recht, eine Wahl zu treffen«, sagte Chris, sein Tonfall ebenso warnend wie seine Körperhaltung. »Die Lektion hat Lem gelernt.«
»Du Drecks…«
Aber Falco unterbrach Lem mit kaltem Blick: »Sagst du etwa, dass sie sich für dich entschieden hat?«
Chris legte jeden Funken männlicher Arroganz, über den er verfügte, in sein Lächeln. »Wie ich schon sagte: Das geht dich nichts an.«
Falcos Fausthieb erfolgte verdammt schnell. Chris hielt sich die Wange und stolperte gegen den Tisch, an dem er eben noch mit Ex und Allison gesessen hatte. Die beiden hatten sich schon an die gegenüberliegende Wand zurückgezogen, wie die meisten anderen Gäste der Taverne auch, was Chris nur recht war, als er Falcos Schlag erwiderte. Der Kiefer des Mannes gab mit einem befriedigenden Knacken nach. Falco ächzte und brüllte dann vor Zorn. Er stürzte sich auf Chris und rammte ihn mit Kopf und Schultern.
Chris verschlug es den Atem. Der Schwung ließ ihn gegen die Theke prallen. Irgendetwas knackte in seiner Wirbelsäule. Blitzschnell schoss ihm ein Schmerz den Rücken empor. Er riss ein Knie hoch, um sich zu verteidigen, und drückte gleichzeitig Falcos Oberkörper nach unten. Das Knie traf auf Falcos Brustbein. Der Mann wich stolpernd einen Schritt zurück, griff dann aber wieder an.
Der rationale Teil von Chris’ Verstand verdüsterte sich. Adrenalin strömte so berauschend wie Whiskey durch seine Muskeln und tief in seine Knochen. Jede Handlung trat klarer hervor, und seine Sinne waren in höchster Alarmbereitschaft.
Er ließ die Faust kräftig auf Falcos Ohr sausen und schlug ihm dann in den Bauch, auf die Nase, in die Niere. Knacken und Stöhnen waren die Geräuschkulisse seines Siegs. Als es Falco dann gelang, ein oder zwei
Weitere Kostenlose Bücher