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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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Vorschriften. Chris’ Wege kreuzten sich ein Dutzend Mal am Tag mit den ihren. Er machte seine Runde, untersuchte die acht Neuankömmlinge immer noch auf Fortschritte hinsichtlich ihrer Ernährung und einiger entzündeter Wunden, die erst noch heilen mussten. Und natürlich besuchte er Tilly und ihr sieben Wochen altes Baby, Esperanza.
    Esperanza . »Hoffnung« auf Spanisch.
    Er wusste, dass Rosa sich über diese Namensgebung freute, die nicht nur symbolträchtig war, sondern auch der eindeutig lateinamerikanischen Prägung der Stadt Rechnung trug. Aber hätte sie das zugegeben? Auch nur ihm gegenüber? Nein.
    Er streifte sein durchgeschwitztes Hemd ab, wälzte sich auf den Bauch und schlang die Arme um das flache Kopfkissen. Er wollte schlafen. Es war mitten am Nachmittag, aber die Geschäftigkeit in Valle kam schlagartig zum Erliegen, wenn die Sonne so hell schien, dass sie zum Feind wurde, weil es zu heiß war, sich zu bewegen.
    Der Schlaf würde ihm auch keine Atempause von Rosa gönnen. Sie folgte ihm bis ins Unbewusste. Nach so vielen prophetischen Träumen, für die es keine Erklärung gab, glaubte Chris langsam an deren Macht. Es war zwar völlig unwissenschaftlich, aber er konnte das, was vorgefallen war, mit keiner anderen Schlussfolgerung vereinbaren. Er hatte von den Staubpiraten zu Fuß und von den Mädchen im Transporter geträumt und dann natürlich auch jenen erotischen Traum mit Rosa geteilt.
    Aber jetzt waren seine Träume einfach nur ein Ärgernis.
    Nacht für Nacht war Rosa darin präsent. Die vertrauten Träume waren Wiederholungen der Stunden, in denen sie einander geliebt hatten – nur Fetzen von Eindrücken, die ihn keuchend und mit steifem Glied aufwachen ließen. Diejenigen, die er mittlerweile als prophetisch betrachtete, waren klarer, schärfer und herzzerreißend. Er sah Rosa auf einem Hocker in ihrem Schlafzimmer sitzen, nackt bis auf einen leichten Bademantel aus Baumwolle, den sie nicht zugebunden hatte. Sie flocht sich die Haare, die ihr über eine Schulter hingen. In einem anderen Traum sah sie aus, als wäre sie im sechsten Monat schwanger, und starrte in einem langen Sommerkleid, das der Wind gegen ihren gewölbten Bauch presste, in die Wüste hinaus. In beiden Träumen lächelte sie.
    Chris versetzte seinem Kopfkissen stöhnend einen Faustschlag. Wenn das Prophezeiungen waren, würde er einen Besen fressen. Sie war ihm jetzt so fern wie damals, als er nach Valle gekommen war: Kalt, mit versteinerter Miene und völlig fixiert auf diese Vorstellung, sich sexuell befriedigen zu lassen, wann immer es sie juckte, und ihn zu dem Zweck in einer Höhle versteckt zu halten.
    Er blieb dabei. Alles oder nichts. So umkreisten sie einander nun schon in einem wochenlangen Patt.
    Nach einem ruhelosen Dösen, das zu keinem Zeitpunkt tief genug zum Träumen war, gab Chris den Gedanken an Schlaf auf. Er stemmte sich von der Matratze hoch und wusch sich mit Wasser aus einem Metalleimer. Die ganze Zeit über wappnete er sich für den Abend, der vor ihm lag. Er hatte nach dem Streit beschlossen, sich nicht zu verkriechen. Rosa würde ihn jeden Abend sehen. Mit bloßen Fußsohlen über Sechzehn-Millimeter-Nägel zu spazieren wäre zwar ein angenehmerer Zeitvertreib gewesen, aber er wollte, dass sie nicht vergaß, was sie verpasste. Trost. Intimität. Atemlose Höhepunkte.
    Aber das hieß zugleich, sie zu sehen und nicht zu haben, sondern nur zu beobachten, wie sie die Bravos, die sie vergötterten, in ihren Bann zog. Jeden Abend ging sie dann davon und kehrte in ihre casita zurück.
    Wenigstens ging sie allein nach Hause.
    Dass er schon so weit war, das als Sieg zu betrachten, machte ihn missmutig. Er kleidete sich mit eckigen Bewegungen an und fuhr sich schnell mit dem Kamm durchs Haar.
    Während es in Valle nachmittags ruhig wurde, drängten alle wieder ins Freie, sobald die Sonne unterging. Chris sah, wie Allison und Ex die Schmiede für die Nacht verschlossen, und lächelte bei dem Anblick leicht. Noch ein ungleiches Paar. Das war eine Spezialität des Wandels, die diese ganze verdammte Hölle lebenswert machte. Allison bedachte ihn mit einem schüchternen kleinen Winken.
    Chris ging zu ihnen hinüber und bemerkte, dass die Körperhaltung der beiden etwas sanfter wirkte. Sie standen jetzt näher beieinander. Entspannter. Wenn sie noch nicht miteinander geschlafen hatten, würde es nicht mehr lange dauern.
    »Guten Abend, Doc«, sagte Ex, und Allison begrüßte ihn ebenfalls. »Wir gehen jetzt zum

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