Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
ganz reizende Mischung aus Hispanoamerikanerin und Afrikanerin, mit einem Lächeln, das mittlerweile doch eher einladend als herausfordernd war. Aber sie war trotzdem erst sechzehn, und obwohl Chris sie recht attraktiv fand, war er kein Dreckskerl. »Soll ich ihn dir nähen?«
»Ich kümmere mich schon darum, Singer«, ertönte Rosas geschmeidige Stimme. »Schlaf lieber ein bisschen.«
Sie blieb nicht stehen, als sie auf der Treppe an ihnen vorbeikam. Chris sah ihr hinterher. Verdammt, an das Vorrecht gewöhnte er sich mittlerweile.
Er sah Singer schulterzuckend an und lüpfte einen imaginären Hut. »Vielleicht wenn ich das nächste Mal verwundet bin.«
»Also nächste Woche.« Sie zwinkerte und kehrte zu ihrem Bruder zurück.
Die beiden kicherten über irgendetwas. Chris wollte gar nicht wissen, worüber. Die Muskeln und die Haut um den Schnitt auf seinem Rücken herum brannten mittlerweile stärker, und er war so übermüdet, dass er verdammt nahe daran war, benommen zu werden.
Er hatte vermutet, dass die Taverne voller Bravos sein würde, die ihren Sieg feierten, aber vielleicht waren sie nach der Feuernacht und dem Angriff erschöpft und völlig ausgebrannt. Die taberna war dunkel und verlassen. Wahrscheinlich lagen schon alle im Bett. Vernünftige Leute.
Hinter der Theke zündete Rosa ein Streichholz an, und bald füllte eine Öllampe den offenen Raum mit ihrem goldenen Schein. Rosas Auftreten verriet, dass sie alles schnell hinter sich bringen wollte, aber Chris verspürte das perverse Bedürfnis herauszufinden, ob es ihr ernst damit war.
»Singer hat mir ihre Hilfe angeboten. Du solltest dich wieder ins Bett legen.«
»Das geht nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Wenn Singer dich zu umwerben beginnt und du darauf eingehst, dann komme ich wegen Brick und Rio in Teufels Küche.«
»Du lässt die Vorstellung hierzubleiben nicht allzu verlockend klingen.«
»Das wollte ich auch nicht.« Sie klopfte auf die Theke. »Komm schon.«
»Das geht so nicht weiter, Jefa . Wenn nicht bald mehr Frauen herkommen, verzehrt dieser Ort sich selbst.«
Rosa erstarrte. Sie hatte versucht, sich mit einem Lederband alle Haare zurückzubinden, aber das Ergebnis war eine wilde und zottelige Mähne. Seidige dunkle Strähnen glitten herab und umrahmten ihr Gesicht. Sie wirkte auf einmal jünger und sogar noch zierlicher, vielleicht weil sie trotz all der Verantwortung, die sie auf sich nahm, eine Sterbliche war und an ihre Grenzen stieß.
»Ich weiß«, sagte sie knapp. »Aber ist dir nicht aufgefallen, dass weniger Frauen überlebt haben?«
»Bittest du mich um meinen weisen Rat?«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
Er zog sich das Hemd aus und wischte sich mit dem Stoff den Schmutz aus dem Gesicht, bevor er das Kleidungsstück beiseitewarf. Kaum, dass er es ein paar Tage hatte, musste es schon geflickt werden. Typisch.
Rosa starrte ihn an. Zur Hölle, sie setzte ihn in Brand!
Verlegen und erregt rieb er sich den Nacken. Ihr Blick folgte der Bewegung und glitt dann an seinem Oberkörper hinab. Sie wich sogar einen Schritt von der Theke zurück, als er näher kam.
»Es fällt dir schwer, um Hilfe zu bitten, nicht wahr?«, fragte er. »Du bittest nur, weil du lieber sterben würdest, als dir eine Gelegenheit entgehen zu lassen, deiner Stadt zu helfen.«
»Halt den Mund.«
»Nein.« Er erreichte das Ende der Bar und wandte ihr den Rücken zu. Rosa würde es jetzt entweder tun oder einen Rückzieher machen. Beide Möglichkeiten ließen seinen übermüdeten Verstand wieder munter werden – fast so munter wie seinen Körper. »Ich kannte einmal einen Mann, der sich benommen hat wie du. Mason war ein harter Bursche. Hat die Last der ganzen Welt auf den Schultern getragen, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand sonst der Aufgabe gewachsen wäre.«
Rosa tunkte einen Lappen in ein Wasserbecken und berührte seine Haut damit. Chris zischte leise und gewöhnte sich dann an den Schmerz. Er zwang seine Muskeln, sich zu entspannen, während Rosa die Wunde reinigte.
»Was ist aus ihm geworden?«
»Er hat sich in eine Frau verliebt, die ebenso austeilen wie einstecken konnte. Jetzt decken sie einander den Rücken.«
»Gut für die beiden.«
Er stimmte ihr im Stillen zu. Es gefiel ihm zwar, Rosa zu provozieren, aber er kannte seine Grenzen. Chris hatte bei Ange versagt, als sie ihn gebraucht hatte – die letzte einer langen Reihe von Verletzungen, die er den Frauen zugefügt hatte, die ihn geliebt
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