Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
Vom Netzwerk:
abgesehen, sie zu beleidigen, als darauf, ihr näherzukommen.
    Aber die flüchtigen Blicke, die er auf einen anderen Traum erhaschte, wurden nun deutlicher. Rosa war gerade auf dem Weg in einen gewaltigen Schlamassel, das wusste er so sicher, wie er wusste, wie sie schmeckte, obwohl beides gleich unmöglich war.
    Er schlug alle Vernunft in den Wind. Jahrelange Lebenserfahrung nach dem Wandel machte es ihm allzu leicht.
    Es standen zwar keine Kampfräder mehr zur Verfügung, aber er wusste, dass es noch ein Fahrzeug gab. Brick hatte ein schnittiges japanisches Motorrad für Singer umgebaut. Das Mädchen durfte damit jetzt, da das Benzin rationiert wurde, keine Ausflüge mehr in die Wüste unternehmen. So pflegte sie das Motorrad mittlerweile wie ein Pony, auf dem sie niemals reiten konnte, putzte es und bewunderte es.
    Chris musste nicht lange Ausschau halten, um sie zu finden. Sie stand auf der Veranda des Hauses, in dem sie mit Brick lebte. Ihre weiße Bauernbluse mit dem hellblauen Spitzenbesatz sah fast zu schön aus für diese Welt.
    »Ich möchte mir gern dein Motorrad leihen«, sagte er direkt.
    Singer schüttelte lachend den Kopf. »Kommt nicht infrage.«
    »Es ist wichtig.«
    »Warum?«
    »Weil ich glaube, dass la jefa und ihre Jungs in eine Falle tappen.«
    Singer hatte bisher mit einer Haarsträhne auf diese besondere Art herumgespielt, die sie verführerisch wirken ließ, ohne dass sie bewusst flirtete, aber nun hörte sie schlagartig damit auf. »Auch Brick?«
    »Er ist dabei, nicht wahr?«
    »Was für eine Falle?«
    »Sieh mal, ich weiß es nicht, ja? Leih mir einfach dein Motorrad. Du weißt, dass ich damit nicht allzu weit kommen kann, bevor sie zurückkehren. Wenn ich dich hier übers Ohr haue und dir dein Eigentum stehle, schickt mir Rosa sofort jemanden auf den Hals, wenn sie zurückkommt.«
    »Darauf kannst du Gift nehmen.«
    Chris war drauf und dran, in Panik zu geraten. Die Erinnerung an seinen Traum war jetzt machtvoller – ein Feuergefecht, ein kleiner Truck, der davonraste. Es kribbelte so heftig, als würden Käfer mit nadelspitzen Beinen auf ihm herumwimmeln. »Ich hatte doch recht, als ich die Stadt gewarnt habe, nicht wahr? Ich erzähle dir keinen Blödsinn, Singer. Bitte!«
    Vielleicht war es das »Bitte«, das sie überzeugte. Vielleicht ließ sie sich einfach leichter breitschlagen als die meisten Bewohner von Valle de Bravo, auch wenn er das bezweifelte. Sie nickte ein einziges Mal und führte ihn ums Haus herum. Binnen wenigen Minuten hatte sie den Tank gefüllt und das Motorrad mit zupackenden, geübten Handgriffen startklar gemacht.
    Singer strich über das bisschen Chrom. »Wenn du es kaputtmachst …«
    »Ich bringe es dir heil zurück«, sagte Chris und schwang ein Bein über den Sattel. »Und, Singer?«
    »Ja?«
    » Gracias .«
    Die junge Frau wischte sich die Augen. Sie hatte ihren Bruder, ihre Begabung als Schneiderin und diesen kostbaren Besitz – das war alles. Die Last ihres Vertrauens wog schwer.
    » De nada , Doc. Nun fahr schon.«
    Chris verschwendete keine Zeit mehr. Er brauste nach Norden davon und folgte in etwa den deutlichen Spuren, die von den Motorradreifen auf dem knochentrockenen Boden hinterlassen worden waren. In der Ferne hörte er Schüsse. Scheiße.
    Er jagte den Motor hoch. Die Maschine ging ab wie ein Vollblüter. Chris verzog das Gesicht, aber das Adrenalin machte ihn tollkühn. Die Weite der Wüste wirkte endlos. Flaches Land erstreckte sich hinter noch mehr flachem Land und erzeugte die Illusion, aus Wasserwellen statt aus festem Boden zu bestehen. Er spürte die Sonne auf der rechten Wange. Also lag dort Osten. Geradeaus musste es zum Highway gehen.
    Aber irgendetwas … Dieser Traum sagte ihm, dass er nach links abbiegen musste. Er wusste, dass es nicht um Rosa ging. Rosa war genau dort, wo sie sein sollte, und fuhr die in Ost-West-Richtung verlaufende Schnellstraße entlang, die durch ihr Territorium führte. Schüsse hin oder her, sie und ihre Jungs würden schon zurechtkommen. Was das betraf, hatte sie recht gehabt. Chris hätte ihnen nur im Weg gestanden.
    Frust peitschte auf ihn ein wie Schrotkugeln. Das war ihm einmal passiert, als ein verängstigter Siedler das Feuer auf ihn eröffnet hatte – es hatte sich angefühlt, als ob man an Dutzenden von Stellen zugleich mit einer Lötlampe angesengt wurde. So kam er sich auch jetzt vor, überwältigt von dem Ringen zwischen dem, was sein Verstand wollte, und dem, was sein Traum ihm befahl. Der

Weitere Kostenlose Bücher