Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
bist schuld, dass er tot ist.« Wenn Rio laut oder respektlos geworden wäre, hätte sie ihm die Meinung sagen können, aber in seiner Stimme lag nur schiere Trauer. »Er war mir wie ein Bruder, und du bist schuld daran, dass er tot ist.«
Die Wunde ging doppelt tief, weil Rio sie immer vergöttert und geglaubt hatte, dass sie nichts falsch machen könnte. Aber jetzt sah er nur allzu deutlich, dass sie auf tönernen Füßen stand. Sie durfte sich dennoch keine Schwäche anmerken lassen, denn damit hätte sie sich vor Falco die Blöße gegeben, die er brauchte.
»Ich bin auch traurig. Aber das Risiko gehen wir jedes Mal ein, wenn wir uns in den Sattel schwingen. Manuel war ein guter Mann, und er wird unvergessen bleiben, aber wenn wir uns dieser Gefahr nicht aussetzen, stirbt ganz Valle.«
»Der Neue hat dir gesagt, dass es eine Falle ist.« Das kam von Lem.
Rosa wurde sich bewusst, wie isoliert sie war. Sie konnte nicht gegen alle auf einmal kämpfen, wenn sie einen Putsch planten. Obwohl sie noch vier Kugeln in der Pistole hatte, wusste sie nicht, ob sie einen Bravo töten konnte. Das Entsetzen über den Verrat würde sie zögern lassen.
Obwohl sie sich für diese Schwäche verabscheute, ließ sie sich nichts anmerken. »Ich habe selbst gesagt, dass wir vorsichtig sein müssen. Aber wenn wir keine zusätzliche Munition auftreiben können, kämpfen wir irgendwann mit Steinen und Stöcken gegen die Staubpiraten, oder General O’Malley rückt weiter ungehindert nach Westen vor und gewinnt die Kontrolle über kleine Siedlungen wie Valle.«
»Das stimmt«, sagte Falco. »Tagtäglich wächst die Angst vor seinem Einfluss im Osten, das haben wir von Händlern gehört. Und ein weiterer Angriff wie der in der Feuernacht kostet uns unsere letzten Munitionsvorräte.«
Seltsam. Sie hatte damit gerechnet, dass Falco die Gelegenheit, ihren Führungsanspruch zu untergraben, schamlos ausnutzen würde. Aber er war kein Dreckskerl und auch nicht hinterhältig. Wenn er ihr die Stadt abnahm, dann mit ehrlichen Mitteln, und er würde dafür sorgen, dass sie es weit im Voraus kommen sah. Sie musste keinen Messerstich in den Rücken fürchten, nur einen Machtverlust, der darin bestand, in sein Bett zu kriechen.
»Ich wünschte, wir hätten welche gefunden«, sagte Rio mit hängenden Schultern.
»Ich auch.« Aber Wunschdenken half einem nicht weiter. »Wenigstens haben wir das, was noch in ihren Schusswaffen steckt.«
»Es war nicht deine Schuld.« Ex redete nicht viel, aber wenn er etwas sagte, hörten die Leute auf ihn. »Und das sage ich, obwohl ich eine Kugel in der Schulter habe.«
»Kannst du fahren?«
Ex nickte. »Ich halte schon durch, bis der Doc einen Blick darauf werfen kann.«
Bevor sie aufbrachen, kam Brick angefahren. »Ich schätze, es hat Ärger gegeben?«
»Ja. Begleitest du uns zurück?«
Brick nickte.
Alle waren auf die eine oder andere Weise verletzt, bis auf den Hünen. Unter Falcos Hemd sickerte Blut hervor, und Rosas Oberteil war blutdrucktränkt. Es war höchste Zeit, das Feld zu räumen, bevor O’Malley noch mehr Männer schickte. Falco hob Manuel hoch. Unfähig, das mitanzusehen, ging Rosa um den Laster herum und stieg ins Fahrerhäuschen. Es war nur angemessen, dass ihr gefallener Bravo auf dem Heimweg neben ihr sitzen würde. Die ganze Zeit über würde sie ihn und damit ihr eigenes Versagen vor Augen haben. Falco schnallte ihn auf der Beifahrerseite an und schloss wortlos die Tür.
Rosa raffte alle Kraft zusammen und rief Lem und Rio zu: »Ihr nehmt jeweils einen der anderen Trucks.«
Wenn sie erst zu Hause waren, würden sie die Fahrzeuge ausschlachten, um an Benzin und Metall, aus dem man andere Dinge herstellen konnte, zu kommen. Was dabei zu holen war, war kein Menschenleben wert, aber hier draußen mussten sie alle Ressourcen nutzen, die sie finden konnten. Ex und Falco eskortierten sie auf ihren Motorrädern nach Valle zurück und hielten nach drohenden Gefahren Ausschau. Rosa rechnete mit keinen, wollte auch keine. Schlimmer konnte der Tag ja wohl kaum noch werden.
16
Chris tigerte ganze drei Minuten auf und ab, nachdem die Motorengeräusche am nördlichen Horizont verklungen waren. Er wusste, dass ein Aufbegehren gegen Rosas Befehl eine offene Missachtung ihrer Führungsrolle und eine persönliche Kränkung ihr gegenüber darstellen würden. Nach dem, was sie an diesem Morgen miteinander geteilt hatten – was zum Teufel das auch gewesen war! –, hatte er es weniger darauf
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