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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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nach Süden zu wandern, war er einfach wieder in dieses Versteckspiel verfallen.
    Wäre er geblieben, wenn Ange überlebt hätte? Er wollte es gerne annehmen, aber es belastete ihn sehr, dass er es nicht sicher wusste.
    »Wieso war es heute Nachmittag dann anders?«, fragte sie. »Wenn du schon gewohnheitsmäßig Gelöbnisse ablegst, die du nicht halten kannst?«
    »Weißt du, diese Dinge, die wir wissen, aber nicht wissen sollten …«
    »Ja?«
    »Deshalb bin ich mir diesmal sicher. Ich gehe nirgendwohin, Rosita. Ich … Ich bin jetzt ein anderer Mensch.« Er schüttelte den Kopf, weil seine Äußerung ihm selbst unzureichend erschien: Er war geradezu ein anderes Lebewesen.
    »Aber du gibst zu, dass du schuld an den Scheidungen warst?«
    »Ja. Ich war ein schrecklicher Ehemann. Die Arbeit stand für mich immer an erster Stelle.« Er versuchte, mit einem schiefen Lächeln darüber zu scherzen: »Du weißt doch, wie das ist.«
    Aber Rosa ließ sich nicht umstimmen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie weiter auf ihn einprügeln würde, bis er blutete. Chris wappnete sich. Wenn er nun schon einmal in dieser Sache drinsteckte, dann auch bis zum bitteren Ende. Valle de Bravo war ein wunderbarer Ort, aber zugleich auch ihr Ort. Er konnte sich nicht vorstellen, nur hierzubleiben, um Nahrung und Unterkunft zu erhalten, ganz gleich, wie schön beides war. Anders als Falco, der in der Lage zu sein schien, auf einen Sinneswandel zu warten, wollte Chris entweder Rosa oder gar nichts.
    So bereitete er sich auf das vor, was sie hören musste, ganz gleich, was es war – was auch immer sie überzeugen würde, dass er auf ihrer Seite stand.
    »Wer hat dir dann das Herz gebrochen?«
    Chris zuckte zusammen. Blutige Bilder traten vor sein inneres Auge. Er hatte bei Tab und MJ zwar auch versagt, aber nicht so wie bei …
    Da wären wir.
    Er ließ Rosa los und griff nach seinem Hemd. Sie hielt ihn auf, indem sie einfach die Hand auf seine legte.
    »Cristián, wer war sie?«
    Er atmete langsam aus und begegnete endlich ihrem flehentlichen Blick. Idiot . Wie konnte er nur denken, dass er es bei Rosa und den Menschen in dieser Stadt besser machen würde? Er hätte nicht hier sein sollen. Und dennoch – wie hätte er nicht hier sein können? Sie hatte ihm ihr Siegel noch in ganz anderer Form aufgeprägt, nicht nur durch die Tätowierung.
    »Sie hieß Angela, und ich habe sie sterben sehen.« Die Stimme versagte ihm, bevor er auch nur ein weiteres Wort aussprechen konnte, und er schluckte, bekam den dicken Kloß aber nicht aus der Kehle.
    Rosa drückte ihm sanft die Hand. Stumm begleitete sie ihn als Gefährtin durch das Entsetzen dieser längst vergangenen Augenblicke.
    »Wir kannten einander erst seit ein paar Wochen. Sie war Mutter. Penny, ihre kleine Tochter, war erst neun. Sie hatten die ersten Tage des Wandels im Westen wie ich überstanden – durch schieres Glück, dadurch, dass sie zufällig die richtigen Menschen getroffen hatten. Stärkere Menschen.« Er starrte in die dunklen Schatten der Schmiede. Das stechende Pulsieren von Ex’ Tätowiernadel war leichter zu ertragen gewesen als die Erinnerung an dieses Entsetzen. »Ange und ich hatten vieles gemeinsam – wir waren beide still und verunsichert in einer Welt, die vor die Hunde gegangen war. Wir haben ein paar wirklich intensive Tage miteinander verbracht, in denen wir einander nur festgehalten haben. So etwas hatte ich noch nie mit einer Frau erlebt – nur jemanden zu brauchen, den man festhält. Nicht mehr als das. Es entstand eine Verbindung zwischen uns.«
    Rosa streichelte die Haare in seinem Nacken sanft in einem einlullenden Rhythmus. »Sie ist gestorben?«
    »Als sie ihre Tochter gerettet hat, ja. Wir haben es beide versucht. Ihr ist die Munition ausgegangen, und … ich habe die Resignation in ihrem Blick gesehen, bevor sie umgerissen wurde.« Chris entzog sich Rosa, richtete sich auf und ging in der Schmiede auf und ab. Es war ein langer Raum, vollgestellt mit Ex’ Maschinen und Werkzeugen. »Ich hätte schneller sein sollen, das denke ich nun schon seit Jahren. Oder ich hätte sie einschließen sollen, um sie zu beschützen.«
    »Du würdest versuchen, eine Frau davon abzuhalten, ihr Kind zu retten?«
    »Vielleicht wäre sie dann noch am Leben.«
    »Cristián, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch gern am Leben wäre, wenn sie ihre Unversehrtheit mit dem Tod ihrer Tochter erkauft hätte.« Rosa beobachtete ihn mit größerer Ruhe und mehr Mitgefühl, als

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