Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
die ich kenne. Ich verstehe nicht, wie du so stark werden konntest, statt in winzige Stückchen zu zerbrechen.« Er hielt inne. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden so begehrt.«
Ihre Brust fühlte sich seltsam zugeschnürt an, und die Augen brannten ihr vor unvergossenen Tränen. Sie berührte sein Gesicht und zeichnete jeden Umriss ehrfürchtig mit den Fingerspitzen nach. »Vielleicht erzähle ich wirklich gern davon. Aber können wir noch ein bisschen spielen, Cristián?«
Da küsste er sie mit solcher Leidenschaft, dass ihr ganzer Körper erglühte, und sie verbrachten den Rest der Nacht damit, andere Wege zur Lust zu erkunden.
26
Chris hatte gewusst, dass er allein aufwachen würde. Das hatte von vornherein festgestanden. Doch tatsächlich an einem kühlen Morgen zu erwachen und zu bemerken, dass er eine zusammengeknüllte Decke und nicht seine Geliebte im Arm hielt, ließ das, was Rosa und er miteinander geteilt hatten, verblassen. Enttäuschung durchströmte ihn wie kaltes Wasser. Er war zwar vor dem Wandel ein beschissener Ehemann gewesen, aber One-Night-Stands hatte er noch nie gemocht.
Und Sex am Morgen gehörte zu den kleinen Freuden des Lebens.
Doch das kam nicht infrage, trotz der Erektion, die er in den Griff zu bekommen versuchte. Sein Verstand half seinem Körper noch dabei, ihm in den Rücken zu fallen, da er sich an die Zärtlichkeiten der Nacht zurückerinnerte. Chris lag ausgestreckt in dieser kleinen, einsamen Höhle und durchlebte jede Berührung, jeden Kuss und jedes tapfere Zugeständnis, das Rosa ihm gemacht hatte, noch einmal.
Aber er war nicht länger mit Träumen und Erinnerungen allein zufrieden. Er musste sie sehen.
Mit einem frustrierten Knurren stemmte er sich vom Boden hoch. Er streifte seine Kleider so grob über, als ob die Heftigkeit sein hämmerndes Herz beruhigen könnte. Nachdem er seine Sachen gepackt, die Decken zusammengelegt und die Lampe zum Wiederaufladen ins Sonnenlicht gestellt hatte, trat er in die Wüste hinaus. Das Tageslicht machte sich über sein benommenes Gehirn lustig. Die letzte Sonnenbrille, die er besessen hatte, lag in Scherben irgendwo in Utah. Sie war bei einem adrenalingetränkten Kampf mit einer Diebesbande zu Bruch gegangen.
Er ging mit großen Schritten zurück in die Stadt, um die Steife aus seinen Gliedmaßen zu schütteln. Das Schlafen auf dem Felsboden der Höhle war nie besonders bequem, aber er nahm es zugunsten seiner Privatsphäre in Kauf. Und Rosa im Arm zu halten und allein mit ihr zu sein hatte die Erfahrung zu einem Genuss gemacht.
Wicker war wie immer im Laden und nickte Chris zu, als er hereinkam. Danach starrte er ihn etwas länger als normal an. Chris ignorierte den Mann und ging weiter. Er ließ seine Habseligkeiten auf den Boden seines winzigen Zimmers fallen. Eine halbe Stunde später war er nach einer raschen Dusche auf dem Weg zum Rathaus, um nach den neuen Mädchen zu sehen.
Singer kam ihm entgegengerannt. »Doc, bei Tilly geht es los!«
Nach der gemächlichen Schläfrigkeit des Morgens traf diese Nachricht Chris mitten in die Brust. Sein Puls beschleunigte sich auf das Tempo eines Rennwagens. »Wo ist Rosa? Hol sie und Viv. Wir treffen uns bei Tilly.«
»Verstanden.«
Singer sprintete Richtung Wachturm. Chris sah ihr kurz nach und bemerkte, dass Rosa tatsächlich dort oben saß. Logisch. Wie hätte sie besser die nackten Tatsachen der vergangenen Nacht verbergen können als dadurch, Wache zu schieben, wenn Chris aus der Wüste zurückspaziert kam?
Aber er hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Er lief keuchend zu Tillys und Jamesons kleinem Haus und bereitete sich geistig auf das vor, was vielleicht vor ihm lag: Eine Geburt. Verdammt. Er war kein Experte – bei Weitem nicht.
Er klopfte an Tillys Tür und ging dann einfach hinein, als er sie schreien hörte.
»Doc«, sagte Jameson, der ihm gleich hinter dem Eingang entgegenkam. Der Mann war leichenblass. »Gott, ich … Was tun wir nur?«
»Erst einmal tief Luft holen. Komm schon.«
Jameson führte ihn in das Schlafzimmer, das er mit Tilly teilte. Die dunklen Vorhänge waren zugezogen und ließen den Raum wie die Höhle wirken, in der Chris geschlafen hatte. Die unbewegte Luft war von Schweißgestank geschwängert. Chris warf seine Arzttasche auf den nächstbesten Stuhl und wusch sich dann in der Küchenecke die Hände.
»Wie lange geht das schon so?«, rief er Jameson über die Schulter zu.
»Seit etwa vier Uhr morgens. Bis vor ein
Weitere Kostenlose Bücher