Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
warten.«
»Amen.«
Er ging zu ihr hinüber; er fühlte sich zu ihr hingezogen, und er brauchte einen Augenblick des Trosts in ihren Armen. Das konnten sie füreinander tun: Die Sorgen und den Schmerz verscheuchen.
Aber Rosa wich zurück. Ihre Miene wurde verschlossen. Keine Besorgnis. Keine Unsicherheit. Nur eine eindeutige Warnung. »Nein«, sagte sie knapp.
Chris sah sie davongehen und fühlte sich, als hätte er einen Huftritt abbekommen. Er stützte die Hände auf die Arbeitsplatte und senkte den Kopf. »Gottverdammt, Rosa«, murmelte er.
Jetzt wurde ihm klar, es würde das Schlimmste sein, wenn sich nichts änderte. Er würde ihren Körper und ihren Geschmack erleben, aber auch ihre Zurückweisung, und zwar alles zugleich. Ihr Vertrauen würde nur flüchtig sein, und man würde sich nie darauf verlassen können. Es klang verheißungsvoller, sich am Spieß braten zu lassen.
Tilly schrie auf. Chris drängte seine persönlichen Probleme in einen entfernten Winkel seines Verstandes – zumindest damit hatte er Erfahrung! – und eilte zurück ins Schlafzimmer.
»Ich muss pressen!«, keuchte Tilly. Ihr Nachthemd war schweißgetränkt. Sie packte Jameson und Viv und umklammerte ihre Hände so, wie ein Felskletterer sich an Steighaken festhält, als hinge ihr Leben davon ab.
Chris trat ans Fußende des Bettes. »Macht euch alle bereit. Jameson, komm her zu mir. Rosa, übernimm seinen Platz, por favor .«
Schulter an Schulter mit dem Vater des Babys hob Chris den Saum von Tillys Nachthemd. Jamesons Gesicht wurde sogar noch aschfahler. »Sie blutet«, flüsterte er.
»Das ist nur ein Dammriss«, antwortete Chris mit gesenkter Stimme. »Ein paar Stiche, dann ist sie wieder so gut wie neu.«
Jameson schluckte und nickte, wie um sich zu beruhigen.
Chris wischte mit einem der Waschlappen das Blut ab. »Nimm die sauberen Windeln da. Du hältst dein Baby im Handumdrehen in der Hand. Tilly? Süße? Man sieht den Kopf schon, Mädchen. Gib alles!«
Vielleicht war es zehn Minuten später. Vielleicht auch zehn Stunden. Chris wusste nur, dass das Zusehen, wie das dunkle Köpfchen auf die Welt kam, zu den anstren gendsten, wunderbarsten, erschreckendsten Erfahrun gen seines ganzen Lebens gehörte. Jameson murmelte leise Gebete und umklammerte die Babydecken. Vivs und Rosas geflüsterte Worte wurden zu einem aufmunternden femininen Hintergrundrauschen, während Tilly schnaufte und fluchte, stöhnte und kreischte.
»Halt«, sagte Chris, »nicht weiter pressen!« Er hangelte sich an der Nabelschnur entlang, ließ sie vom Hals des Babys über den weichen, rutschigen Schädel hinweggleiten und tastete noch einmal alles gründlich ab, bevor er zufrieden war. »Gut, jetzt los!«
Eine Schulter beim nächsten Pressen, die zweite beim übernächsten. Und mit einem letzten Ächzen glitt das winzige neue Leben aus seiner Mutter hervor. Chris fing es mit zitternden Händen auf.
»Du meine Güte«, hauchte er, und ihm war plötzlich schwindelig. »Es ist ein Mädchen.«
Tilly brach erschöpft in Tränen aus, während Viv ein Dankgebet sprach. Jameson wippte auf den Fersen, während seine kantigen Züge sich zu einem entzückten Gesichtsausdruck verzogen. Dann blinzelte er wie ein Schauspieler, dem sein Text plötzlich wieder einfiel. Er reichte die Decken an Chris weiter und durchtrennte dann mit alles andere als sicherer Hand die Nabelschnur. Gemeinsam schlangen sie unbeholfen das schmucklose Tuch um das neugeborene Mädchen.
Chris musste einen festen, schweren Klumpen im Hals hinunterschlucken. Er legte das wimmernde Kind der Mutter auf den Bauch. »Herzlichen Glückwunsch, Tilly. Du hast eine Tochter.«
Triumphierend und in dem Gefühl, der Größte zu sein, schaute Chris zu Rosa auf, und die Tränen, die in ihren dunklen Augen funkelten, ließen ihn demütig werden.
27
»Danke«, sagte Rosa später.
Sie bewunderte, wie Chris mit dieser Krise fertiggeworden war und Tilly danach noch genäht hatte. Jameson hielt den Arzt für ein Genie, das über jeden Zweifel erhaben war.
Jetzt saß Rosa mit Chris in der taberna , zusammen mit ihm, aber nicht allein. Falco und seine Freunde hockten an einem anderen Tisch und beobachteten sie. Sie war sich der Aufmerksamkeit, die auf ihr ruhte, bewusst und versuchte, sich so zu verhalten wie jedem anderen Bravo gegenüber, aber es war unmöglich festzustellen, ob sie damit Erfolg hatte.
»Das habe ich noch nie getan«, gestand Chris. »Zumindest nicht bei einem Menschen.«
»Oh, also
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