Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
heißt den Strand von Erbrow, der sich unterhalb ihres Dorfes erstreckte, des Dorfes Erbrow nämlich, in der Mitte der Bucht, die natürlich Erbrow-Bucht hieß. Erbrow war der Name des Drachen gewesen, der umgekommen war, damit sie leben konnten, daher war alles Erbrow genannt worden. Auch die Tochter des Elfen, Ihre Hoheit das Prinzesschen, hatten sie Erbrow genannt. Bei den Namen hatten sie sich nicht viel Kopfzerbrechen gemacht.
Am Strand war das geschäftige Treiben besonders laut. Cala, die Frau von Creschio, und ihre Freundin Robi, die Frau des Elfen, kicherten mal wieder wie zwei dumme Gänse. Auch Cala hatte ein Blag bekommen, einen Jungen, er hatte einen absurden Namen, der zu Chicco abgekürzt wurde und in der Sprache ihrer Heimat angeblich so etwas wie »Fliegende Wolke« bedeutete, bescheuert wie nur was, als Name. Eine Kreuzung aus Huhn und Wurm hätte vermutlich mehr Verstand besessen als diese zwei dummen Weiber zusammen, denn selbst ein solches Mischwesen hätte begriffen, dass es einem an diesem Strand schlecht ging und dass es da nichts zu kichern gab. Robi und Cala verbrachten die Hälfte ihrer Zeit damit, Tellmuscheln zu sammeln, die andere Zeit suchten sie blöde Muscheln ohne was drin, um alberne Ketten daraus zu machen oder überflüssiges Zeug für in die Haare. Gelegentlich sagte ihm jemand, wie die Dinger hießen, aber er vergaß es immer wieder. Vor drei Jahren hatten Robi und der Verfluchte Elf geheiratet. Es hatte ein großes Fest gegeben, natürlich ohne was zu essen, aber mit Tanz. Sie hatten auch die aus Arstrid eingeladen, das andere Dorf von armen Schluckern und Hungerleidern, die auf dem Felsvorsprung wohnten, der die Bucht nach Norden hin abschloss, und die schon länger da waren als sie, auf jeden Fall waren sie nicht weniger arm dran als sie (auch wenn man anerkennen musste, dass sie als Hochzeitsgeschenk fünf Hühner und einen Hahn mitgebracht hatten, die jetzt den Hühnerhof von Erbrow bildeten und scheinbar für die Keimzelle künftigen Reichtums gehalten wurden).
Sie, die Einwohner von Erbrow, hatten ihnen im Tausch ein Fohlen geschenkt. Die zwei ursprünglichen Pferde, Blitz und Fleck, die sie mühsam mit sich heruntergeschleift hatten auf dem Weg, den sie sich in den Felsen gehauen hatten, als sie fliehen mussten, sie lebten jetzt am Strand, und man wusste nicht recht, warum, wo sie doch zu nichts nütze waren, als Gulasch allerdings recht tauglich gewesen wären. Und wie man aus ihnen kein Gulasch machen durfte, so durfte man die Fohlen, die sich pünktlich alle zwei Jahre einstellten, nicht zu Koteletts verarbeiten. Und so konnte einer in Erbrow, wenn er nicht verhungerte, nicht von der Klippe fiel oder auf eigene Faust ertrank, immer noch von einem Pferd niedergetrampelt werden, denn sie hatten mittlerweile eine ganze Herde und die Viecher rannten den ganzen Tag wie blöd am Strand auf und ab. Arme Schlucker und Hungerleider mochten sie ja sein, aber reiten konnte bei ihnen jeder. Ohne Sattel und im Galopp. Was zu nichts nütze war und nur noch mehr Hunger machte. Er nicht, er hatte sich geweigert.
Anlässlich der Hochzeit der zwei Idioten hatten die beiden Dorfgemeinschaften sich unverbrüchliche und ewige Treue geschworen und dann waren sie jeder wieder zum eigenen Elend und Hunger zurückgekehrt. Offenbar war es das unantastbare Vorrecht freier Menschen, vor Hunger und Elend umzukommen, lesen und schreiben zu können, ohne Sattel reiten und schwimmen zu können und wie die Wilden halb nackt herumzulaufen, vorausgesetzt, es stimmte, dass es irgendwo Wilde gab.
Hinter Cala ging der jüngere der Holzfäller, er hieß Solario, hatte blonde Haare und einen blonden Bart, und er sammelte Teilmuscheln nur mit einer Hand, weil er im anderen Arm das kleinste seiner Kinder hielt, das ebenfalls lachte wie blöd. Offenbar waren alle vergnügt an diesem vermaledeiten Strand unter dem Felsen. Alle lachten unentwegt wie ein Schwarm besoffener Möwen; nicht dass er jemals besoffene Möwen gehört hätte, aber er war sich sicher, dass sie ein solches Geräusch von sich geben würden, eine Mischung aus Gurgeln und Gegacker. Das machte ihn wütend. Tatsache war, wäre er am Strand geblieben, um Tellmuscheln zu sammeln, hätte er viel mehr zu essen bekommen als mit seiner Fallenstellerei, aber er hätte das Gekicher von Cala ertragen müssen, das von Robi und dann Solario, der zum hundertsten Mal erzählte, wie tüchtig seine älteren Töchter waren, die bereits lesen und schwimmen
Weitere Kostenlose Bücher