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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Euch gegen die Lebenden aufgebracht, weil Angst Euch in diesem Leben festgehalten hat. Erfüllt von Groll, wagt Ihr nicht, die Pforten zum Reich des Unendlichen zu durchschreiten. Ihr habt einen grausamen und ungerechten Tod erlitten, aber was die Henker nicht wissen, der Tod ist auch Trost und Erlösung, und das habt Ihr nicht erfahren dürfen. Ihr hattet nicht den Mut, aus dieser Welt zu gehen, und deshalb seid Ihr Gespenster geworden, Engel des Todes, Dämonen der Zerstörung. Ihr seid gebannt geblieben in diesem Leben. Ich bitte Euch nun, legt Eure Angst ab, damit Euer Schmerz ein Ende finden kann, damit Erbarmen über Euch komme. Ich bitte Euch, meine Damen, fürchtet Euch nicht. Vergebung möge Euch besänftigen, sodass Ihr Eure Schwingen zum Unendlichen hin öffnen könnt. Ich schwöre Euch, wir werden Euer Andenken bewahren und Euch nie vergessen. Die Nacht, die den Herbst in zwei Teile teilt, wenn Nebelschleier die Welt verhüllen, diese Nacht soll Euch geweiht sein. Wir werden Kürbisse aushöhlen und einkerben und Kerzen hineinstellen. Die zünden wir dann an und ihr freundliches Licht soll an Eure misshandelte Unschuld und die verratene Gerechtigkeit erinnern. Diese Nacht werden wir ›Nacht der Hexen‹ nennen. Und damit werden wir die Erinnerung an Euer Martyrium für immer bewahren. Die Nacht der Hexen wird die Gedenkstunde sein, da die Menschheit Abbitte tut für alle ihre Ungerechtigkeiten, es wird die Nacht sein, in der Opfer und Henker einander ohne Groll und Bitternis begegnen. Sie wird Sühne und Vergebung bringen. Und so erwarten wir den Tag des Winteranfangs, an dem das Dunkel den Tag überwiegt und die Sonne nur blass am Himmel steht, und diesen Tag wollen wir mit unseren Kerzen erhellen, damit feiern wir die Wiederkehr des Lebens. Wir werden unsere Kinder feiern und für ihr Leben danken und auch bei dieser Gelegenheit werden wir uns stets an Euch erinnern.«
    Die am Boden liegende Furie erhob sich mühsam und kehrte langsam zu den anderen zurück. Noch waren die drei Flecken, die das Licht verschluckten, am Himmel zu sehen, aber sie warfen überhaupt keinen Schatten mehr.
    »Törichter Jüngling«, knurrte die kleinste der drei Erinnyen, »elender Schwachkopf, du weißt ja gar nicht, wovon du redest. Die Pforten des Todes sind schrecklich. Hättest du sie je gesehen, niemals hättest du die Torheit begangen, auf die Ewigkeit deines Lebens zu verzichten. Sie triefen von Grauen, Schande, Schlamm, vermischt mit fauligem Blut, von Würmern zerfressen, darunter ein Gewimmel von Bremsen und Wanzen …«
    Yorsh schüttelte den Kopf und wieder breitete er die Arme aus, aber diesmal hatte die Geste eine andere Bedeutung, nicht Schutz, sondern Umarmung.
    »Nein, meine Damen, meine armen Mütter. Die Pforten des Todes sind schrecklich nur auf der Seite, die wir sehen. Wenn wir den Mut haben, die Schwelle zu überschreiten, wenn uns das gelingt, ohne dass Groll, Reue oder Schmerz uns übermannen, dann und nur dann gelangen wir auf die andere Seite des Todes. Fürchtet Euch nicht. Habt keine Angst. Es erwarten Euch unendlich weite Wiesen unter grenzenlosen Himmelszelten. Bei Eurer Ankunft werden auf den Wiesen Blumen sprießen. Ihr habt Wüsten zu durchqueren, danach aber werdet Ihr nie wieder Hunger oder Durst leiden. Das Land, wo Milch und Honig fließen, es liegt auf der anderen Seite der Sonne. Um dorthin zu gelangen, muss man sterben. Der Tod hat die Farben der Morgenröte, er klingt wie Wellenrauschen und er riecht nach Salz. Oft sagen Männer und Frauen zu denen, die sie erschaffen haben – vorausgesetzt, dass das mehrere sind und nicht nur einer –, warum habt Ihr uns verlassen? Sogar die Hoffnung ist von uns gegangen. Ist nicht die Hoffnung die letzte Gabe? Nein, nicht sie ist die letzte Gefährtin, die uns bleibt, sondern der Tod. Der Tod ist der letzte Begleiter, wenn die Hoffnung am Ende ist, wenn die vor Durst aufgesprungenen Lippen nicht mehr erzählen können, wenn das Grauen die Flügel gestutzt hat. Die letzte Gabe, das ist der Tod. Lob sei Dem, Der die Welt erschaffen hat, für sein Erbarmen.
    Meine Damen, Frauen, Mütter, zu lang habt Ihr gewartet. Eure Kinder, die ungeborenen, die gestorbenen und die, die nicht einmal empfangen wurden, zu lange schon erwarten sie Euch auf den unendlich weiten Wiesen unter grenzenlosen Himmelszelten. Geht hin und nehmt sie an der Hand, erzählt ihnen die Geschichten, die sie über das Leben trösten, das sie nicht kennengelernt haben, denn diese

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