Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
grundverschiedenen und strikt getrennten Armeen. Die eigentliche Armee der Stadt besteht aus der sogenannten Schweren Kavallerie und Schweren Infanterie und rekrutiert sich aus den Einwohnern der Stadt. Die schönsten Pferde und die besten Schwerter sind für ihre Ritter bestimmt. Einstmals bestand die Schwere Kavallerie nur aus Adeligen, dem Grafen von Daligar und den Gründern der Stadt. In jüngerer Zeit dagegen legt der Richter fest, wer, ja nach Verdienst, Teil davon sein darf.«
»Na, das ist doch besser so, es ist gerechter.«
»Nein, das ist es nicht, mein Sohn, das scheint nur so. Du stellst dir vor, dass die Besten und Tüchtigsten in den Kampf geschickt werden, sobald das grausame Geschäft des Tötens nicht zu vermeiden ist. Mach dir bloß keine Illusionen, mein Junge, bilde dir nicht ein, der Krieg sei eine ruhmreiche Sache. Gelegentlich muss man ihn aber führen, und dann ist es besser, es führt ihn, wer imstande ist zu siegen. Gut ist ein Heer, wenn es von dem Intelligentesten und Loyalsten angeführt wird. In früheren Zeiten waren das die Angehörigen der großen, alten Familien, mal intelligent, mal dumm, fast immer mutig, seltener feige, im Großen und Ganzen tüchtig im Kampf, da sie von Kindesbeinen an nichts anderes gelernt hatten. Die Auswahl nach Adelsgeschlechtern war zwar ungerecht, gewährleistete aber Kontinuität und auch eine gewisse Eignung. Jetzt gibt es in Daligar nichts dergleichen. Jetzt sind an die Stelle der Adeligen die Sprösslinge aus den Familien getreten, die dem Verwaltungsrichter am nächsten stehen, und die Ungerechtigkeit ist größer geworden, weil niemand wagt, den Mund aufzumachen. Früher war Kritik am König immerhin erlaubt, und ich garantiere dir, jeder wird schlechter, wenn er von Leuten umgeben ist, die immer nur Ja sagen. Meinst du, deine Frau Mutter wäre so freundlich, mir Nadel und Faden zu leihen? Meine Hosen fallen wirklich auseinander. Wo war ich stehen geblieben? Für die Ritter gibt es die besten Rüstungen, die schärfsten Schwerter, die Hellebarden mit den schönsten Verzierungen. Die Söhne aus geringeren Adelsgeschlechtern, die früher als nicht alt genug galten und heute die Einzigen sind, die etwas weniger vor dem Richter kriechen, kommen in die Infanterie. Hier gibt es weniger Gold- und Silberbeschläge, aber der Stahl der Harnische und Schwerter ist von solider Qualität. ›Schwer‹ heißen diese Einheiten eben wegen des Gewichts der Rüstungen und Waffen, denn zum Stahl kommt noch das Gold und Silber der Gravuren und Intarsien hinzu. Auf der anderen Seite sind die Söldner. Das Wort kommt von Sold, man kauft sie für Geld.«
»Werden die anderen denn nicht bezahlt?«
»Aber gewiss nicht.«
»Wovon leben sie denn?«
»Sie sind von Haus aus reich. Die Angehörigen des regulären Heers erfüllen den Zensus …«
»Den was?«
»Sie haben von Haus aus Geld und brauchen keins. Die Hungerleider verdingen sich als Söldner. Du könntest Söldner werden. Du hast die besten Voraussetzungen dafür: Du bist groß, kräftig und bettelarm. Meinst du, du könntest deine Frau Mutter bitten, dass sie mir die Hosen flickt? Ich bin nicht wirklich gut im Nähen, und dann scheint mir, dass Nadel und Faden allein nicht genügen. Meiner Meinung nach braucht es da auch ein paar Flicken. Meinst du, deine Frau Mutter hat ein Stück Stoff übrig? Bei dir zu Hause ist nie was übrig? Schade. Wo war ich stehen geblieben?
Das Söldnerheer hat also die Aufgabe, nicht nur die Grafschaft zu verteidigen, sondern die ganze Menschenwelt bis an die Grenzen der Bekannten Welt, eingeschlossen also auch die Ebene von Varil, den Gespaltenen Berg, die Hochebenen von Kastaneda und der Hohen Wacht.«
»Die Ebene von Varil? Wir brauchen niemand. Wir haben die stärkste Armee der Welt.«
»Entschuldige, mein Sohn, wen meinst du mit diesem ›wir‹? Du bist kein Einwohner von Varil, sondern des Äußeren Bezirks, das ist nicht dasselbe. Ihr, genauer, sie, die wirklichen Bürger von Varil, haben eine ausgezeichnete Armee, haben sie aber nie eingesetzt, denn wenn ein feindliches Heer anrückt, öffnen sie die acht Schleusen des Dogon, dort, weißt du, wo die Windmühlen sind, die das Wasser auf die Reisfelder lenken, und setzen die Ebene unter Wasser. Varil ist nie angegriffen worden. Seine Armee besteht aus Adeligen, und das sind alles Leute, die sich nicht gerade darum reißen, die Siedlungen an den Grenzen zu verteidigen, also übernimmt das die Grafschaft, indem sie ihre
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