Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
versprach, daran zu denken. Munter und verspielt kam das Junge heran und leckte ihm durch das Gitter die Hände.
Der Hauptmann und seine Leute ritten jeden Tag durch das Nordtor hinaus, verfolgt von den Pfeilen der Orks am anderen Ufer. Zum Schutz dagegen hatte er die schweren Schilde der regulären Armee von Daligar verteilen lassen, die im Zeughaus der Stadt zurückgeblieben waren. Die Reiter schwärmten aus ins Schilf und in die Kastanienwälder, von wo sie mit einem Hasen oder einer Wachtel wiederkehrten, manchmal mit einem Wildschwein. Das waren keine Vergnügungspartien. Vom ersten Tag an stießen sie auf Grüppchen von Orks, die ihre kleinen Boote repariert hatten und daher wieder beweglich waren. Diese Trupps waren es, die jeden Gedanken an Flucht unmöglich machten, der aber doch immer wieder auftauchte, ausgemalt und verworfen wurde. Weder in kleinen Gruppen noch alle zusammen konnten sie die Stadt verlassen und nach Alyil in die Berge des Nordens ziehen. Daligar war Zufluchtstätte und Falle zugleich. Sie saßen hier fest, zu zahlreich, um zu fliehen, zu wenig gut bewaffnet, um zu kämpfen.
So gelang es Rankstrail, seine Männer halbwegs satt zu kriegen, auch wenn sie ständig hungrig waren, aber wenigstens brauchten sie nicht auch noch auf die knappen Vorräte der Stadt zurückzugreifen. Die Patrouillenritte am Flussufer erlaubten ihnen außerdem, die Pferde grasen zu lassen, da es in der Stadt kein Heu gab. Sein Wolf konnte frei laufen, ohne die Stadtbewohner in Angst und Schrecken zu versetzen. Der letzte Vorteil: Seine Kerle mit den beunruhigenden Visagen blieben den Plätzen fern, wo die Frauen ein paar mickerige Auberginen zogen und die Kinder Hüpfen spielten, nachdem sie mit bunter Kreide das Haus des Orks auf das Pflaster gemalt hatten, aus dem man fliehen musste.
Seine Männer waren der unterschiedlichsten Herkunft und alle eher aufgeweckt. Seitdem er zusammen mit dem letzten Elfen gekämpft hatte, redete Rankstrail anders mit ihnen.
Der Elf hatte nicht gelogen.
Weder gelogen noch übertrieben.
Er hatte seine Redeweise geändert und seine Männer hatten sich verändert.
In dieser Welt aus rauen Tönen, abgehackten Sätzen, Beschimpfungen, ordinären und immer wiederholten Flüchen stellten sein Wortschatz und der Respekt, den er ihnen erwies, als ob sie Prinzen und Könige wären, einen unerhörten Reichtum dar, der etwas Märchenhaftes hatte. Die Streitereien hatten abgenommenen. Die abfälligen Bemerkungen über die jeweiligen Mütter, wo jeder über die Herkunft des anderen all den Hohn und die Verachtung ausgoss, die er selbst erfahren hatte, waren weniger gemein, weniger grausam geworden. Es herrschte jetzt unter ihnen ein ständiges Geplänkel mit den unwahrscheinlichsten und fantasievollsten Beschimpfungen, das fast eine heitere Note hatte.
Auch weil es notwendig war, dass schriftliche Befehle verstanden wurden, brachte der Hauptmann seinen Männern in den freien Stunden das Lesen und Schreiben bei. Das hatte er am Hochfels auch schon getan, aber die Männer, die damals bei ihm gewesen waren, mit Ausnahme von Lisentrail, Trakrail und Nirdly, waren in Varil geblieben.
Da er schon einmal dabei war, brachte er jedem bei, seinen eigenen Namen zu schreiben. Riesige Hände ritzten mit Dolchen, die mit einem einzigen Stoß ein Muli hätten ausweiden können, schiefe und krakelige Buchstaben in Stein oder in die Rinde der Bäume. Der Hauptmann bemerkte, dass die Männer Tag für Tag zu der Stelle zurückkehrten, an der sie ihren Namen eingraviert hatten, um ihn wieder zu lesen, als hätten sie damit eine Spur in der Welt hinterlassen. Rund um die Lagerfeuer, wo sie ihr erjagtes Wild brieten, begannen die Männer, sich ihre Geschichten zu erzählen. Das geschah zum ersten Mal. Dem Hauptmann war nicht klar, ob das wegen der wahrscheinlichen Gefahr eines baldigen Todes so war oder ob die Tatsache, dass man den eigenen Namen in der Welt hinterließ, es leichter machte, auch die eigene Geschichte zu hinterlassen. Es waren harte Geschichten, und die sie erzählten, zeigten keinerlei Rührung, außer vielleicht am Anfang, wo häufig eine Mutter stand ohne einen Mann an ihrer Seite, irgendwo an den Grenzen der Bekannten Welt.
Durch die Zusammenstöße zwischen Rankstrails Männern und den Orks mehrten sich die abgeschlagenen Köpfe sowohl auf den Wehrgängen von Daligar als auch um die Feuer der feindlichen Lager. Wenn einer seiner Männer fiel und sein Kopf mit Blickrichtung Daligar auf einer
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