Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
um meine Stadt zu retten, weißt du? Ohne ihn hätten wir alle den Tod gefunden, auch die Kinder. Alles wäre nur noch Schutt und Asche. Er hat dich verlassen, um uns zu retten. Auch wenn ich ihn nur ein einziges Mal gesehen habe, hat er doch Zeit gefunden, mir zu erzählen, wie lieb er dich hat … ›Mein geliebtes Töchterchen‹, hat er gesagt …«
Rankstrail hatte gehofft, dass sie sich beruhigen würde, wenn er in beschwichtigendem Tonfall auf sie einredete. Wie grausam für ihn selbst die Erinnerung an Yorsh sein würde, hatte er aber nicht vorhersehen können. Rankstrail hatte dem Elf geschworen, sein Schwert gehöre ihm, und er hatte ihn allein in den Tod gehen lassen. Mit ihm wäre die Welt gerettet gewesen und durch Rankstrails Schuld hatte der Richter ungehindert das Heil der Welt vernichten können. Rankstrail umarmte die Kleine fest und zu seiner größten Beschämung konnte er ein paar Tränen nicht zurückhalten. Das Mädchen bemerkte es und ihre eigenen Schluchzer wurden noch heftiger. Am liebsten wäre Rankstrail im Boden versunken. Nicht nur hatte er sie nicht beruhigen können, sondern er hatte ihr Weh auch noch vergrößert. Der Hauptmann wusste nichts Besseres zu tun, als sie im Arm zu halten und sich selbst zu verfluchen, während die Zeit verging und der Nachmittag sich dem Ende zuneigte.
Während die Sonne hinter den Dunklen Bergen unterging, beruhigte sich das Schluchzen etwas, aber das Mädchen hörte nicht auf zu weinen. Sie schluchzte weiter, die Arme um den Hals des Hauptmanns geschlungen, das Gesicht am Kragen seiner Jacke, der von Rotz und Tränen feucht wurde.
Offenbar war es sein Schicksal, überlegte sich Rankstrail, die karmesinrot gekleideten Prinzessinnen von Daligar zu trösten und zuzulassen, dass sie sich in Teile seiner Kleidung schnäuzten. Die Zärtlichkeit, die er für die Kleine empfand, überwältigte ihn. Er hätte alles gegeben, was er besaß, um sie zu trösten. Aber alles, was er besaß, war Zecca, ein geraubtes Orkschwert, und ein Harnisch, der auseinanderfiel und den er in Abständen flicken musste.
Er wagte es, ihr über die Haare zu streichen. Bei seinen Geschwistern hatte das funktioniert. Seine klobigen, rauen Hände verfingen sich in den Spitzen der Haube, sie löste sich und die Locken quollen hervor. Alles hätte der Hauptmann darum gegeben, dass alles wieder so wurde, wie es vorher gewesen war: Die Locken unter der Haube und die Tränen in dem Mädchen. Doch mit wütender Gebärde riss ihm das Kind die Haube aus der Hand und warf sie auf den Boden. Sie ergriff den Saum ihre roten Kleides und zerrte daran in dem Versuch, das Kleid zu zerreißen.
»Wek. Hässli«, rief sie, warf erneut die Arme um den Hals des Hauptmanns und fing wieder an zu weinen.
»Es ist hässlich, auch mir gefällt diese Farbe nicht«, pflichtete der Hauptmann ihr bei. »Das ist keine Farbe für ein kleines Mädchen. Sie erinnert an Bl …«
Zum Glück konnte er sich noch rechtzeitig bremsen.
Er hatte Fiamma und Borstril großgezogen, er wusste daher, wie erschreckend für Kinder Dinge sein können, die einem Erwachsenen völlig gleichgültig erscheinen.
Für die Tochter der Königin-Hexe, die ihren Vater hatte sterben sehen, musste es grauenvoll sein, ein Kleid tragen zu müssen, das in ihrer Vorstellung mit Blut gefärbt war.
In dem Schluchzen des Kindes erkannte man die Worte »Papa« und »Zuhause«.
Der Hauptmann fing wieder an zu sprechen und er sprach lang; wieder erklärte er, dass Yorsh die Welt gerettet hätte, und dann erklärte er ihr, dass sie die blaue Schürze nicht anbehalten konnte, weil das zu gefährlich war. Die Orks wussten, was sie angehabt hatte. Die Schürze hatte man ihr nicht genommen, weil man sie nicht liebte, und ihr dieses Kleid angezogen, das so eine hässliche Farbe hatte, die aber nicht aus … nun ja, nicht aus Blut war, sondern diese Farbe kam aus einer Muschel, er wusste das, weil seine Mutter ihm das erklärt hatte, deshalb war sie so kostbar, sie kam aus dem Meer, wie sie selbst, sie war am Meer geboren, nicht wahr? Ihr Zuhause war am Meer, und es war nicht, weil man sie nicht lieb hatte, dass man sie nicht dorthin zurückbrachte. Da waren die Orks dazwischen.
Allmählich beruhigte sich das Weinen. Der Abend sank herab. Endlich schlug das Mädchen die Augen zum Hauptmann auf, der ihr mit seinem Ärmel das Gesichtchen abwischte. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Sie war noch zu klein, um auch ihr das Bogenschießen
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