Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
weiter. Sie war bleich geworden. Besorgt sah Rankstrail sie an.
»Das Kind!«, murmelte er. »Ist es so weit?«
»Nein, noch nicht, es ist noch zu früh, wenn es jetzt zur Welt kommt, ist es zu klein!«
»Herrin«, sagte Rankstrail ruhig, »kehrt zurück in Eure Gemächer. Ich werde hinausziehen. Ich werde diesen Krieg für Euch führen. Und ihn für Euch gewinnen. Ich hatte geschworen, für Euren Gemahl zu kämpfen und zu sterben, jetzt tue ich es für Euch und für Eure Kinder. Eurem Gemahl verdanke ich die Befreiung meiner Stadt, meiner Leute und … ja, auch meine eigene. Und wenn ich sämtlichen Orks von hier bis zu den Dunklen Bergen den Kopf abschlagen müsste, damit Euer Kind in Frieden zur Welt kommen kann, so werde ich das tun. Und nun geht.«
»Nein«, antwortete Rosalba, »ich muss den Angriff führen. Ich, nur ich allein bin mit der Prophezeiung gemeint …«
»Die Prophezeiung? Welche Prophezeiung? Ach ja, ich verstehe, vor acht Jahren hat man mir so etwas erzählt, Sire Arduin hat Euch und Euren Gemahl vorausgeträumt oder so ähnlich. Wenn er von Euch geträumt hat, so weil Ihr ein Schicksal zu erfüllen habt. Aber ich will ja gar nicht den Krieg gegen die Orks führen, Herrin, ich will nur ihre Vorräte erobern. Auch wenn ich von keiner Prophezeiung vorhergesagt wurde, wenn kein Heldenblut in meinen Adern fließt und wenn ich eine Truppe befehlige, die kein Dichter sich je herablassen würde zu besingen – bis zu den Vorratslagern kann ich kommen. Auch ohne Euch, Herrin, bis zu den Vorratslagern schaffen wir es. Ich kämpfe mit dem, was ich habe.«
Rosalba verschlug es den Atem, und nicht nur wegen eines erneuten Stichs im Bauch.
»Warum habt Ihr das gesagt: ›Ich kämpfe mit dem, was ich habe‹?«
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht, es klingt gut.«
»Und Ihr kämpft nur, um zu siegen?«
»Herrin«, entgegnete der Hauptmann verwundert, »ich glaube, nur ein vollkommener Trottel würde kämpfen, um zu verlieren«, dann deutete er ein Lächeln an. »Macht Euch keine Sorgen, Herrin, seid ganz beruhigt. Ich reite hinaus und hole die Lebensmittelvorräte für Euch.«
Rankstrail wandte sich um und entfernte sich. Robi folgte ihm mit Blicken, bis er anfing, die steile Treppe hinabzusteigen, die ihn zu den Wehrgängen bringen würde, dann raubte ihr noch einmal ein stechender Schmerz den Atem.
»Hauptmann!«, schrie sie, sobald sie wieder konnte. Rankstrail sah sich um. »Mein Pferd … befehligt den Angriff auf meinem Pferd. Nehmt Enstriil.«
Der Hauptmann nickte. Er sah sie noch einen Augenblick lang an, bevor er sich umwandte und verschwand.
Robi musste sich festhalten, um nicht zu stürzen.
Als Erbrow auf die Welt kam, war Yorsh bei ihr gewesen, hatte ihr den Rücken gestützt und sie im Arm gehalten. Die Schmerzen waren sanft gewesen, wie friedliche Wellen an einem reinen Strand. Sie kamen und gingen und ließen ihr Zeit zum Atmen, sie konnte Yorshs Stimme hören, die sie einlullte, und dann war zu den Geräuschen der Nacht und dem großen, starken Meeresrauschen das Schreien des Kindes hinzugekommen. Da war etwas in Yorshs Stimme oder in seinen Händen, was den Schmerz linderte, ihn leichter machte.
Jetzt war niemand da, der die Schmerzen besänftigte, im Gegenteil, Angst und Sehnsucht steigerten sie ins Maßlose.
Sie war allein.
Yorsh war getötet worden.
Ihr Kind würde vor der Zeit zur Welt kommen, in einer von Orks belagerten und von der Menschenwelt verlassenen Stadt, verteidigt nur von einer Handvoll Bettler unter dem Kommando eines Renegaten und der Tochter des Mannes, den sie am meisten hasste auf der Welt.
Etwas streifte ihre Hand, die noch immer das kurze Schwert Arduins umschlossen hielt. Es war Erbrow, ihre Tochter, die die Augen ihres Vaters hatte und den Namen des letzten Drachen trug.
Das Mädchen hatte seine kühlen Händchen um ihre verschwitzten Finger gelegt. Vermutlich beruhigte diese Geste sie, denn die folgenden Stiche erschienen ihr weniger schlimm.
Sie schöpfte neuen Mut. Ihr Atem ging wieder kräftig und regelmäßig.
Sie beugte sich hinunter, um ihr Töchterchen zu umarmen, doch tapfer schickte sie sie dann fort, sie solle im Hof spielen, und kauerte sich aufs Bett. Sie wartete, dass die Zeit verging und ihr Kind auf die Welt kam. Der Durst war unerträglich, doch der Krug war leer, und in den Hof zum Brunnen hinuntersteigen, ging über ihre Kräfte. Schritte auf der Treppe brachten sie wieder zu sich. Mühsam konnte sie
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