Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
an den Tag legte.
So viele man auch vernichtete, früher oder später kamen andere nach. Sosehr man die Grenzen auch befestigen mochte, ob man Wachtürme errichtete, Gräben aushob, alle fünfzig Schritt einen bewaffneten Wachsoldaten postierte, früher oder später geschah es doch, dass einer nicht aufpasste oder einschlief, und dann gingen die Bauernhöfe in Flammen auf. Dardrail der Grausame hatte Befehl gegeben, die Gebiete der Orks anzugreifen und sie alle zu vernichten, einschließlich der Kinder. Doch die Prinzessin griff ein und der Befehl kam nicht zur Ausführung. Man erzählt, wie der Blitz sei sie auf ihrem Pferd herbeigeschossen und habe sich mit gezücktem Schwert zwischen ein schon vom Feuer versengtes Kind der Orks und die Soldaten ihres Vaters gestellt. Sie habe gebrüllt, Kinder tötet man nicht, niemals, lieber Tod oder Untergang. Wer einem Kind wehtut, ist ein Ork. Wenn man die Orks nur dadurch bekämpfen kann, dass man selbst wird wie sie, dann lieber Tod und Niederlage. Als Kämpferin taugte sie offenbar nicht sonderlich viel, aber sie war die Tochter des Königs, und so hatte keiner der Soldaten es gewagt, sie offen anzugreifen und womöglich königliches Blut zu vergießen. Sie hatte das Kind befreit und von den Soldaten weggebracht. Sie hatte ihm ihr Pferd gegeben, damit es zu seinen Leuten zurückkehren konnte, und hatte ihm ihr königliches Siegel um den Hals gehängt, das war eine Jadekugel mit einer darin eingravierten aufgehenden Sonne, damit kein Soldat es aufhalten sollte. Dieses Kind war Arduin. In gewisser Weise rettete die Prinzessin sämtliche Kinder der Orks.
Es ist merkwürdig, es genügt, dass ein einziger Mensch sich einem grausamen Befehl widersetzt, damit alle, auch die, die ihn ausführen, und die, die ihn erteilt haben, seine Grausamkeit bemerken. Jade war die Lieblingstochter ihres Vaters. Nicht nur wurde sie nicht bestraft, sondern nach dem Auftritt wurde der Befehl, die Kinder der Orks zu töten, widerrufen. Das war ein Segen. Viele Soldaten waren desertiert, nur um ihn nicht ausführen zu müssen. Nach dem Tod Dardrails des Grausamen folgte ihm sein Sohn, Bairuin der Jüngere, auf dem Thron nach, weil niemand anderer da war. Solange die Welt und der Horizont unverändert blieben, regierte Bairuin ohne Lob und Tadel, doch als am Horizont von den Ebenen des Ostens her die schwarzen Horden der Orks aufzogen, fielen ihm dazu nur zwei Dinge ein. Die Zugbrücke von Daligar hochziehen, damit die Stadt wenigstens ein Weilchen der Belagerung standhalten konnte, und dann fliehen, bevor die Belagerung einsetzte. Man muss allerdings sagen, dass er im Unterschied zu meinem Vater wenigstens das Heer in Daligar zurückließ. Während seine Soldaten abgeschlachtet wurden und die Köpfe seiner Generäle zusammen mit ihren Eingeweiden als Girlanden die Wurfmaschinen zierten, floh er nach Alyil, die uneinnehmbare Festung in den Bergen des Nordens, wohin jetzt auch mein Vater geflohen ist, zusammen mit dem, was von seinem Hofstaat übrig ist, und mit fast dem ganzen Heer. Erst in den Bergen des Nordens bemerkte Bairuin, dass Jade fehlte, seine jüngste Schwester, die einzige, die noch unvermählt war. Die Prinzessin war in der Stadt zurückgeblieben und versuchte, die Kinder in den Waisenhäusern zu schützen, die es auch damals schon gab und die gewiss … anständiger waren als unter der Herrschaft meines Vaters. Die Orks brauchten bestimmt niemanden, der ihnen befahl, Kinder abzuschlachten, und sie desertierten auch nicht, wenn das zu tun war. Das Land stand in Flammen. Die Prinzessin hatte sämtliche Waisenkinder um sich geschart und versuchte, sie im Gebirge in Sicherheit zu bringen, als sie von einer Bande Orks umzingelt wurde. Sie zog ihr nutzloses Schwert, als einer der Angreifer zwischen sie und die anderen trat. Der Ork trug den Jadeanhänger um den Hals. Er sah sie an und sagte: ›Man tötet keine Kinder, niemals.‹ Er sprach die Menschensprache nicht gut, aber er war zu verstehen. Dann drehte er sich um, sodass er ihr den Rücken zuwandte, riss sich die furchtbare Kriegsmaske vom Gesicht, dann wandte er sich gegen die Orks und vernichtete sie. In den folgenden Tagen übernahm er das Kommando, versammelte die versprengten Soldaten, bewaffnete die Bauern mit ihren Mistgabeln und brachte allen Zivilisten das Kämpfen bei, befehligte den Gegenangriff und befreite Daligar. Einmal im Inneren der Stadt, ließ er die Pfähle anbringen, die außen schräg aus den Mauern
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