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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Unbekannten nur noch unsere Bohnenfelder und die waren begraben unter ellenhohem Schlamm. Der Hunger trieb die Orks in unsere Gebiete. Sie fanden das, was von unseren Bohnen übrig war, aber sie wollten mehr. Unsere Frauen … siehst du … wir waren nicht imstande …«
    Der Alte verstummte. Einen Augenblick lang bedeckte er sein Gesicht mit den Händen. Dann fuhr er fort.
    »Wir waren nicht imstande, sie zu schützen«, sagte er. »Das ist schwer zu erklären. Ich weiß, dass wir unser Leben dafür hätten wagen müssen … Es ist nur … siehst du … wir waren nicht darauf gefasst. Sie sind über uns hergefallen wie … wie Wölfe in der Nacht. Bevor wir begriffen, was geschah, war die eine Hälfte von uns tot und die andere wäre es am liebsten gewesen. Ja, so war das. Und dann geschah, was in solchen Fällen immer geschieht. Diejenigen von uns, die noch am Leben waren, rafften sich auf und beschlossen weiterzuleben. Wir haben die Brände gelöscht, die Toten begraben, die Wunden der Verletzten verbunden und beschlossen, in alle Ewigkeit so zu tun, als sei nichts geschehen. Ich habe auch meinen Vater begraben und jedem Lebewesen, das Orkblut in sich trug, ewige Rache geschworen. Die Frauen, die neun Monate später mit den Kindern der Orks niederkommen würden, wollten sie im Teich ertränken, den die Regenfälle unterhalb des Hügels hatten entstehen lassen, und dann wäre alles ausgelöscht. Die Ehre des Dorfes wäre wiederhergestellt. Aber sie wollte nicht. Deine Mutter, meine ich. Sie sagte, du seiest ein Kind. Ein Kind, und basta. Kinder weinen alle auf die gleiche Weise. Sie sagte, Menschen morden keine Kinder. Niemals. Sonst wäre man ja ein Ork. Und da wurde sie verjagt. Und ich, der ich jedem Lebewesen, das Orkblut in sich trägt, ewige Rache geschworen hatte, ich habe begriffen, dass ich fern von ihr … von dir … dass mein Leben nichts mehr wert sein würde. Ich habe sie gebeten, ihr Mann werden zu dürfen, um dir ein Vater zu sein. Sie wollte nicht, weil ihr Gesicht gebrandmarkt war und ihr Leib vergewaltigt, und ich habe zu ihr gesagt … ich sagte zu ihr … Weißt du, das war eine schwierige Rede, ich hatte mir das alles zurechtgelegt, ich habe zu ihr gesagt, dass ich gern reich, stark und schön, dass ich gern ein König wäre, um ihr ein Reich zu Füßen legen zu können, wenigstens ein Dieb wäre ich gern gewesen, sodass ich etwas zum Essen hätte für euch, aber ich war nichts und ein Niemand, der sich in einem Land voller Schlamm mühsam dahinschleppte. Ich habe zu ihr gesagt, dass die Nächte gemeinsam weniger kalt sind, während die Welt uns zermalmen würde, wenn wir allein blieben; und selbst wenn sich keiner die Mühe machte, uns zu töten, würden wir von selbst an unserem Leid ersticken, bevor der neue Tag heraufzog. Wir konnten nichts ausrichten gegen die Orks, nur dies: die Spuren ihrer Missetaten auslöschen, indem wir ihnen zum Trotz am Leben blieben.
    Ich wollte, dass sie meine Gemahlin wird, um sie zu lieben über alles. Ihr Gesicht würde wieder heil und ihr Leib wieder unversehrt sein, denn das waren sie in meinen Augen und so wären sie es auch in ihren eigenen. Die Orks, die unser Volk vernichtet hatten und in seinen Schoß eingedrungen waren, würden nichts weiter sein als der wirre Traum einer stürmischen Nacht. Das Kind, das auf die Welt käme, würde unser erstgeborener Sohn sein, und die Liebe, die wir ihm schenkten, würde Hass und Zerstörung auf immer verbannen.«
    Der alte Mann verstummte. Wieder trat ein langes Schweigen ein. Auch das Feuer im Kamin war erloschen. Rankstrail wagte kaum zu atmen. Wind kam auf und die Tür klapperte. Der Alte schauderte. Der junge Hauptmann stand auf, schloss die Tür, legte dem Vater seinen Mantel um die Schultern und im Dunkeln leuchteten die goldenen Rangabzeichen des Kommandanten; dann fachte er das Feuer wieder an. Die Flammen erleuchteten den Raum und die Schatten verschwanden.
    Der Alte sah seinen Sohn an.
    »Ich bin glücklich, dass du die Stadt gerettet hast«, sagte er schließlich und wiederholte es gleich noch einmal.
    Rankstrail nickte. Er hatte das Gefühl, in die Unterwelt hinabgestiegen und wieder heraufgekommen zu sein. Der giftig nagende Zweifel, welcher ihn seit eh und je plagte und den er immer wieder in einen hinlänglich dunklen Winkel verbannt hatte, wo man so tun konnte, als habe man ihn vergessen, jetzt brauchte er ihn nicht länger zu verscheuchen. Jetzt stand die Wahrheit vor ihm wie ein lang gesuchtes,

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