Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Ankunft empfing die Stadt Rankstrail feierlich mit ihrem majestätischen dreifachen Mauergürtel und ihrem Spiegelbild im Wasser der Reisfelder, das rot gefärbt war vom Sonnenuntergang. Leicht wiegten sich die Reiher im Wind. Die weiß-goldenen Fahnen wehten über den sich kreuzenden Mauerbögen, die üppig von Blumen überwuchert waren. Die Dunkelheit brach herein. Die Fackeln wurden angezündet und spiegelten sich zusammen mit den Sternen im dunklen Wasser.
Kaum hatte er das große Tor durchschritten, fing Rankstrail an zu laufen. Die Leute wichen zur Seite, vielleicht um ihn in seinem Lauf nicht zu behindern, bestimmt aber wegen der Angst, die seine Statur und seine offensichtliche Zugehörigkeit zum Söldnerheer auslöste.
Rankstrail erkannte alles wieder, die Marktstände, die Pfützen, die Farne, die kleinen, an die Mauern gekrallten Gärten mit ihrem Ertrag an Kohl, Hoffnung und Auberginen. Er erkannte das kleine Haus wieder mit seiner Tür und dem zeremoniellen Schnitzwerk daran, den Königsadlern und Greifen, das Dach überwuchert von Moos, Farnen, Gras, Efeu und kleinen Blumen.
Als er eintrat, saßen alle ums Feuer und teilten sich Kichererbsen und Oliven.
Fiamma hätte er unter tausend Frauen wiedererkannt, sie glich noch immer dem kleinen Mädchen, fröhlich, keck und spottlustig, mit der Sanftmut der Mutter, aber ohne deren Resignation.
Wäre er Borstril auf der Straße begegnet, er hätte nicht gewusst, wer das ist. Da saß ein etwas schüchterner Junge, der ihn ängstlich ansah, als er in die Tür trat und den Rahmen mit seiner Statur ganz ausfüllte.
Der Vater reagierte als Erster: Er sprang auf, kam auf ihn zugelaufen und umarmte ihn weinend. Dann kam Fiamma, die einen Augenblick gebraucht hatte, um sich von der Überraschung zu erholen. Borstril blieb schüchtern sitzen, bis sein Vater ihn an der Hand nahm und zu seinem großen Bruder führte, damit er ihn umarmte. Auch Fiamma war mittlerweile in Tränen ausgebrochen.
Rankstrail verspürte eine unbändige Freude an der Umarmung. Er fühlte die Wärme ihrer Körper an seinem, fühlte das Nass ihrer Tränen an seinen Wangen.
Er hatte das Gefühl, den ganzen Schlamm, die Kälte, die Hitze, die Läuse, all das hätte es nie gegeben, all das wäre nur ein Traum. Dann erzählte der Vater. Er versuchte, ihm von ihrer Verzweiflung zu erzählen, als sie bemerkten, dass er fortgegangen war.
»… sofort, ich habe sofort begriffen, dass du fortgegangen bist, um dich anwerben zu lassen, Fiamma brauchte mir das nicht vorzulesen … Seit jeher habe ich befürchtet, dass du dich anwerben lassen würdest … Mein Kind mitten im Krieg … mitten im Blut … um den Apotheker für mich zu bezahlen …«
Er hatte Borstril bei einer Nachbarin gelassen und war losgezogen, mit seinem Husten, und Fiamma mit ihm, nicht einmal eine Feldflasche mit Wasser und Brot hatten sie eingepackt. Um schneller zu sein, hatten sie nicht die Straße genommen, sondern die Abkürzung, was hieß, die Schleife des Dogon abzuschneiden und sich durch Gestrüpp und Dornengebüsch zu schlagen. Nach einem halben Tag waren sie in Daligar angekommen, völlig zerkratzt und zum Umfallen müde, aber ganz sicher vor ihm. Sie hatten die Stelle gefunden, wo die Einschreibungen vorgenommen wurden, und da hatten sie zwei Tage lang gewartet, im Regen und in der Sonne, aber er war nicht erschienen, und da hatte sein Vater gedacht, dass er sich vielleicht getäuscht hatte. Vielleicht war sein Sohn nicht aufgebrochen, um sich anwerben zu lassen, sondern war in den Reisfeldern geblieben. Vielleicht hatte er sich bei der Jagd verletzt oder die Jagdhüter hatten ihn geschnappt. Immer noch völlig aufgelöst, waren sie nach Varil zurückgekehrt, wieder auf der Abkürzung, um schneller voranzukommen, wieder zerkratzt und halb tot vor Hunger und Durst …
Zum ersten Mal seit dem Tod seiner Mutter fühlte Rankstrail, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.
Sie hatten ihn gesucht.
Waren hin und her gerannt wie zwei Verrückte.
Verzweifelt.
Sie hatten versucht, ihn zurückzuhalten!
Er hatte sich drei Tage Zeit gelassen, damit man ihn einholen konnte, sie dagegen hatten die Abkürzung genommen, um sicher zu sein, dass sie ihn erwischten. Sie hatten sich verfehlt.
Rankstrail war froh, dass es ihnen nicht gelungen war, ihn aufzuhalten. Ohne das Geld wäre sein Vater längst tot. Ohne ihn hätte man Lisentrail in Stücke gehauen und niemals hätten sie die Banditen besiegt.
Es war sein Schicksal. Aber die
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