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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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stand noch das alte Tablett, das mittlerweile stank, und das neue strömte frische, starke Düfte aus. Sie machte sich über beide Gedanken, wo ihr Magen so verspannt war vor Furcht und ihre Kehle so verengt vor Zorn und Enttäuschung, daß sie kaum ihre Atemzüge hereinbekam, ganz zu schweigen, vom Essen.
    Sie trug das alte Tablett in den Vorraum und stellte es auf den Boden, und fing plötzlich, durch eine Inspiration angeregt, damit an, ihre Habseligkeiten nach Papier zu durchsuchen... sie
hatte
etwas in ihrem Nähkasten mitgebracht, denn sie entwarf darauf Muster für ihre Stickereien und das Stricken. Sie wühlte sich durch die Nadeln und das Garn und entdeckte das Papier auf dem Grund, fand den Schreiber und setzte sich an den Tisch, kaute auf der Kappe des Schreibers und versuchte nachzudenken.
    »Richard«, schrieb sie, nicht »Liebster Richard«, was, wie sie glaubte, vielleicht nicht die richtige Anrede für einen zornigen Mann war. »Ich habe Angst hier. Ich muß dich sehen. Bitte. Bettine.«
    So war es richtig, dachte sie. Zurückhaltend sein, ruhig sein, und es ihm zur gleichen Zeit ausreden, ihr noch größere Angst einzujagen. Pathos. Das war der richtige Ton. Sie faltete den Zettel zusammen, und auf einen schlauen Gedanken hin verschloß sie ihn mit einem Faden, den sie hindurchstieß, damit der Wärter nicht neugierig werden konnte, ohne es zu verraten. »An Seine Ehren Richard Collier«, schrieb sie auf die Außenseite, mit den schönen Buchstaben, die zu schreiben sie immer wieder geübt hatte. Und dann nahm sie den Brief und legte ihn draußen auf das Mittagessentablett im Gang, damit er mit dem Geschirr hinausgelangte und jeder es sich überlegen mußte, was er damit machte, denn einen Brief an den Bürgermeister einfach wegzuwerfen, war nicht klug.
    Danach schniefte sie befriedigt, setzte sich und verzehrte ihr Frühstück, was einen kleinen Teil der Einsamkeit in ihrem Bauch stillte und anschließend in ihr ein Gefühl der Schuld und des Elends hervorrief, denn sie hatte zuviel gegessen; sie würde fett werden, das war es, was sie wollten, indem sie sie mit all dem Zeug fütterten und ihr nichts anderes zu tun erlaubten als zu essen. In Kürze würde sie dick und reizlos sein, wenn sie hier nicht mehr zu tun fand, als zu essen und auf und ab zu gehen.
    Und vielleicht stand ihr hier ein langer Aufenthalt bevor. Dieser Gedanke drang jetzt mit einer Kraft in sie ein, die er bisher nicht besessen hatte. Ein zweiter Tag an diesem Ort... und wie viele Tage überhaupt; und Beschäftigung und Lesestoff würden ihr ausgehen... Sie stellte auch das zweite Tablett in den Flur, um den Essensgeruch loszuwerden, drückte dann einige Schalter in dem Versuch, die Tür von innen zu schließen; die ganze Konsole war kompliziert angelegt, und sie begann, indem sie die Schalter aufs Geratewohl drückte. Sie fand Kontrollen, die sie nicht kannte, drückte verschiedene Kombinationen und hatte nur darin Erfolg, das Licht auf eine Weise auszuschalten, daß sie es nicht mehr anbekam, nicht durch irgendeine Kombination von Schaltern, bis sie den am Bett benutzte. Die Sache machte ihr Angst davor, vielleicht die Heizung auszuschalten oder das Licht gänzlich zu verlieren und allein in der Dunkelheit zu sein, sobald die Sonne unterging. Sie ließ die Schalter in Ruhe, da sie doch nicht wußte, was sie mit ihnen machte, obwohl sie auf der Schule auch einen Kurs im Umgang mit Computern absolviert hatte... – aber das war etwas, was die anderen Mädchen taten, die einfache lange Gesichter hatten und ihr Haar hinten hochsteckten und flache Brüste hatten und an nichts dachten als an das Studium und die Arbeit. Sie haßte sie. Haßte die ganze Sache. Haßte Gefängnisse, die aus solchen Dingen gebaut werden konnten.
    Sie nahm ihr Strickzeug und dachte an Tom, an seine Augen, seinen Körper, seine Stimme... Er liebte sie, und Richard tat es vielleicht nicht, sondern benutzte sie, weil sie schön war, und damit mußte man sich abfinden. Es brachte andere Dinge mit sich. Würde ihr einen Ausweg von hier verschaffen. Richard mochte stolz und zornig sein und verletzte Gefühle haben, aber letztlich wollte er bestimmt seinen Stolz retten, wozu sie ihm ausgiebig verhelfen konnte, wenn sie ihm zusicherte, zerknirscht zu sein – letztlich schon alles, was sie tun mußte.
    Es war Tom, um den ihre Tagträume kreisten, und sie fragte sich, ob er wohlauf war, oder ob er auch im Tower steckte. Oh, ganz bestimmt nicht; aber die Bücher,

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