Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Deutschen würden Einkommen und Arbeitsplätze verlieren« – mit diesen Worten fasste der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung das Ergebnis einer Studie zusammen, die sein Haus in Auftrag gegeben hatte. Das Bruttoinlandsprodukt würde Schaden nehmen, 200000 Arbeitsplätze könnten verloren gehen.
Wie immer solche Berechnungen zustande kommen, die im Übrigen nur die deutsche, nicht die europäische Interessenlage wiedergeben, es mag unter Umständen tatsächlich vernünftiger sein, unter einem Dach wohnen zu bleiben und sich irgendwie zu arrangieren. Das ist aber nicht die beste Option, sondern nur die bequemste. Merkel, Brüderle und der Rest der Euro-Truppe verkaufen sie uns aber als »alternativlos«. Was für sich genommen schon eine Bankrotterklärung ist, denn abgesehen vom Tod gibt es zu allem eine Alternative.
Es gibt auf beiden Seiten Argumente, die ich nicht nachvollziehen, und solche, denen ich folgen kann. Was mich allerdings extrem irritiert, ist das anmaßende, selbstherrliche, streckenweise totalitär anmutende Auftreten der EU - und Euro-Befürworter, die allein schon die Debatte darüber, was falsch gelaufen ist und wie es weitergehen soll, zu einer Art von Hochverrat erklären und keine Hemmungen haben, die Gegenseite zu dämonisieren: als Ignoranten, einen Haufen weltfremder Professoren, deren Ideen »unseren Wohlstand und unsere Leistungsfähigkeit gefährden« (Brüderle), als nationalistische Revanchisten.
Muss man wirklich darauf hinweisen, dass es nicht die »Professoren« waren, die uns in die jetzige Situation hineinmanövriert haben, sondern diejenigen, die nun vor den Gefahren einer »überzogenen Kritik« warnen? Offenbar ja. Deswegen noch einmal und zum Mitschreiben: Dieselben Leute, die das Boot auf Grund gesetzt haben, sagen nun, sie seien als Einzige in der Lage, es wieder flottzumachen. Sie bitten uns darum, ihnen noch eine zweite Chance zu geben. Würden Sie sich einem Arzt anvertrauen, der Ihnen statt der Nasenpolypen die Zirbeldrüse entfernt hat und hinterher hoch und heilig verspricht, er würde beim nächsten Mal besser aufpassen?
Mag sein, dass wir uns in einer Phase des Übergangs befinden, wie nach dem Fall der Mauer, als plötzlich zwei völlig verschiedene Systeme synchronisiert werden mussten. Aber das war ein Klavierstück für vier Hände, verglichen mit der Aufgabe, eine Europa-Big-Band zu orchestrieren.
Ich habe in meiner Jugend sehr gerne die Romane von Jules Verne und populärwissenschaftliche Geschichten darüber gelesen, wie wir um das Jahr 2000 herum leben würden: auf großen, von Menschenhand gebauten Inseln auf oder unter dem Meer. Dabei sollten wir uns von Algenplätzchen ernähren und Wasser trinken, das in Entsalzungsanlagen gewonnen wurde. Ich dachte damals ernsthaft daran, mir ein Aquarium zuzulegen, um mich an den Anblick von Fischen als Nachbarn zu gewöhnen. Denn das alles war mehr als nur der Stand der Populärwissenschaft. Es war Wissenschaft.
Im historischen Jahr 1968 erschien nicht nur das Buch »Klau mich« von Rainer Langhans und Fritz Teufel, der Entwurf einer vom Besitzdenken und anderen Zwängen befreiten Gesellschaft, im selben Jahr kam auch »The Population Bomb« auf den Markt, geschrieben von Paul Ralph Ehrlich, Professor für Biologie an der Stanford University in Kalifornien, einem bekannten Insektenforscher, der sich auf Schmetterlinge spezialisiert hatte. Ehrlichs zweites Spezialgebiet war die drohende Überbevölkerung, eben »The Population Bomb«.
Schon sehr bald, in den 70er-Jahren, so Ehrlich, würden Hunderte von Millionen Menschen infolge von Hungerepidemien sterben. Indien würde nie imstande sein, seine Bevölkerung zu ernähren. Als Mitbegründer der Organisation »Zero Population Growth« setzte sich Ehrlich dafür ein, die Regierungen auf das Problem der Überbevölkerung aufmerksam zu machen, damit diese gesetzgeberische Maßnahmen ergreifen, um die Welt zu retten. Mit solchen Ansichten gelang Ehrlich ein Bestseller, und er brachte es zu Ruhm und Ehre. Der »World Wide Fund for Nature« verlieh ihm einen Preis, ebenso die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, die Vereinten Nationen und die Ecological Society of America. Alles wegen seiner Verdienste für die Umwelt.
Keine einzige von Ehrlichs Vorhersagen, die er mit Zahlen und Statistiken untermauert hatte, ist eingetroffen. Die globale Hungerkatastrophe ist ausgeblieben. Im
Weitere Kostenlose Bücher