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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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an.
    Emily trug bereits ihren Taucheranzug aus grünem und purpurfarbenem Neopren mit einem grellgelben Streifen von der rechten Schulter zur linken Hüfte. Der Anzug stand bis ungefähr zweieinhalb Zentimeter über dem Nabel offen. Die Brüste wurden von dem locker herunterhängenden Material des Anzugs bedeckt. Chan blinzelte.
    Emily lächelte.
    Es bestand eine enge Verbindung zwischen Selbstvertrauen und Reichtum; was war zuerst dagewesen?
    »Die Flaschen sind schon auf der Schwimminsel; Kaffee gibt’s in der Kombüse.«
    Chan kratzte sich am Kopf, an den Schultern und dann trotzig an den Hoden. »Was ist mit den andern?«
    Sic legte ihm die Hand auf die Wange. »Die schlafen alle noch, Chief Inspector – nur Sie und ich gehen tauchen.«
    Er warf gähnend einen Blick zurück in die Kabine, wo Die Reisen des Marco Polo auf dem Tisch von einem Strahl grellen Sonnenlichts beschienen wurden. Je wacher er wurde, desto abweisender wirkte sein Gesicht. So früh am Morgen war es schwer, nicht unfreundlich zu wirken.
    »Hat Ihnen eigentlich schon mal jemand gesagt …«
    Sie legte eine Hand auf ihre Brust und hätte es fast geschafft, verletzlich auszusehen. »Sagen Sie nichts mehr! Ich weiß, daß ich aufdringlich bin. Mein Benehmen um diese nachtschlafende Zeit ist wirklich unverzeihlich. Tut mir leid, ich habe seit jeher Probleme, weil ich so ungeduldig bin. Lassen Sie es mich noch einmal versuchen.« Sie senkte den Kopf, sah ihn mit großen Augen an und sagte mit Kleinmädchenstimme: »Ich bin seit über einer Stunde wach und möchte unbedingt ins Wasser aber leider ist mir als Begleiter nur dieser tolle Chief Inspector eingefallen und da hab’ ich vor Vorfreude meine Manieren vergessen aber bitte nehmen Sie’s mir nicht übel und wenn ich Sie irgendwie überreden kann mitzukommen …«
    Chan hob eine Hand. »Okay, okay.«
    »Es ist noch schlimmer, wenn ich’s mit Schleimen versuche, was?«
    Er fing zu grinsen an. »Es ist schön, wenn man über sich selbst lachen kann.«
    »Das habe ich von den Engländern abgeschaut. Es ist viel einfacher, als sich wirklich zu ändern.« Dann klimperte sie mit den Wimpern, was wirklich ziemlich lustig aussah.
    Er schloß die Tür, zog statt der Baumwollshorts eine Badehose an, putzte sich die Zähne, ließ das Rasieren sein und trat hinaus aufs Vorderdeck.
    Die Motoren des sechsunddreißig Meter langen Luxuskreuzers waren abgeschaltet; die Ankerkette hielt ihn an einem verlassenen Ort im Pazifischen Ozean am Meeresboden fest: Es war ein Plastikspielzeug in den Händen des Monstergottes Ozean. Das Wasser erstreckte sich endlos in alle Richtungen. Helles Licht ergoß sich über die Decks, die Farbe, die Phantasien der Nacht. In der Morgendämmerung waren der Himmel zu gleißend und die Sonne zu grell, als daß man den Blick hätte heben können. Auf einem blendend weißen Rettungsring an einem Edelstahlhaken las Chan das Wort Emily in blauen Buchstaben.
    Die Luft hier war viel sauberer als in Mongkok, sogar zu sauber – er brauchte eine Zigarette. Also kehrte er in seine Kabine zurück und nahm eine Packung in die Kombüse mit, wo die Köchin eine Glaskanne unter die Kaffeemaschine gestellt hatte. Chan füllte eine große Tasse, gab drei Stück Zucker und Milch hinzu und nahm den Kaffee mit hinaus aufs Heck. Draußen auf der Schwimminsel befestigte Emily die Regler an den Sauerstoffflaschen. Von oben sah Chan, wie ihre Brüste fast aus dem Neoprenanzug herausglitten, während sie sich über die Stahlzylinder beugte. Sie war für eine Chinesin ziemlich grobknochig, hatte aber kein Gramm zuviel auf den Rippen. Sie hatte den Körper einer Athletin, gesund und gierig. Lassen Sie sich nicht von ihr verführen, hatte Cuthbert gesagt.
    Sie lächelte ihn an, als er sich zu ihr gesellte, und berührte seinen Unterarm.
    »Es tut mir wirklich leid, daß ich Sie so früh aufgeweckt habe. Aber so bin ich nun mal – immer direkt, ohne jegliche Tiefe, ein bißchen primitiv. Und ich habe den Humor einer Zwölfjährigen.«
     
    Unter Wasser, mit einer Sauerstoffflasche auf dem Rücken, wirkte Emily wendig, verspielt, witzig – wie ein menschlicher Tümmler.
    Auf dem Korallenbett fünfundzwanzig Meter unter dem Boot legte sie sich auf den Rücken und stieß silberfarbene Luftringe aus, die träge zur Oberfläche hochstiegen. Sobald Chan bei ihr angelangt war, spürte er ihre Hand auf seinem Oberschenkel. Er hatte keinen Taucheranzug mitgebracht, sondern trug nur ein T-Shirt und eine Badehose.

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