Die letzten Tage von Hongkong
wechselten. Emily verschlang ihn fast mit den Augen. Beim Gedanken an den Morgen lächelte er. Warmes Wasser und Sex paßten zusammen wie Ente und Reis. Nur Xian wirkte nervös, als wolle er so schnell wie möglich wieder an Land.
Alle außer Jenny tranken ein Bier in der Sonne, dann kehrte einer nach dem anderen in seine Kabine zurück.
Chan ging wieder zur Schwimminsel und spielte mit dem Gedanken, noch einmal nackt ins Meer zu springen. Er rauchte gerade und starrte hinaus auf den hypnotisierend blauen Ozean, als ein Schiffsjunge mit einem roten Umschlag zu ihm kam, auf dem mit grünem Filzstift »Chief Inspector Chan« notiert war. Auf dem Blatt Papier, das darin steckte, stand lediglich: Wie wär’s mit einem Besuch?
Chan lächelte. Er spürte, wie ihr Wille ihn unwiderstehlich in ihre Luxuskabine zog. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, ihre Botschaft einfach zu ignorieren, um herauszufinden, wie grausam ihre Rache sein würde oder wie komisch ihr Betteln – ihre Reaktionen waren schwer vorherzusagen. Aber dann trottete er doch den Flur entlang. Vielleicht würde sie über Wasser sogar reden.
Cuthbert legte sich aufs Bett. Es war so heiß, daß er schließlich doch die Klimaanlage einschaltete. Neben ihm standen sein tragbarer CD-Player und sein Wecker. Er stellte den Wecker und tauschte die Gregorianischen Gesänge gegen Mozarts Klarinettenkonzert aus.
Als der Wecker klingelte, drückte er einen Knopf, der einen Radioempfänger aktivierte: nichts, abgesehen vom Schnarchen Xians. Cuthbert nahm den Kopfhörer ab. Nun hörte er durch die Wand zur Luxuskabine gleich neben ihm Emilys Stimme. Cuthbert legte das Ohr an die Wand.
»Gib’s zu – sei ein Mann –, sie törnen dich ab, stimmt’s?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Verdammt, wenn du nicht immer überall rumschnüffeln würdest, hättest du’s gar nicht gemerkt.«
»Sagen wir einfach, ich bin impotent, und belassen wir’s dabei.«
»Heute morgen warst du noch nicht so impotent – bevor du’s gewußt hast. Ich hab’ doch dein Gesicht gesehen, als du die Narben entdeckt hast.«
»Tut mir leid, ja, ich habe die Narben gesehen.«
»Und jetzt kriegst du keinen mehr hoch.«
»Ich bin eigentlich immer impotent. Ich kriege nur noch unter Wasser einen hoch.«
»Scheißkerl.«
»Was soll ich denn sagen? Du hast Komplexe wegen deinen Titten – deinen Implantaten. Was weiß ich? Warum ist das mein Problem?«
Langes Schweigen, dann Emilys Stimme.
»Verschwinde, geh wieder in deine Kabine.«
»Mußt du so widerlich sein?«
Kurzes Schweigen.
»Nein, tut mir leid, ich bin aus der Fassung. Das sieht mir gar nicht gleich. Jedenfalls nicht in solchen Situationen.«
»Also …«
»Ja, Chief Inspector, so was ist schon mal passiert. Anscheinend sind die chinesischen Männer die pingeligsten der Welt.«
»Dann such dir doch einen Südafrikaner aus.«
»Was?«
»Das ist eine besonders unsensible Rasse – die müßte dir liegen.«
Schweigen.
»Komm her – gib mir einen Kuß.«
Das Geräusch eines kurzen Kusses.
»So ist’s besser. Wir können doch Freunde sein. Tut mir leid, daß ich ausgerastet bin. Du hast recht. Ich bin wegen der Dinge, die ich meinem Körper angetan habe, völlig paranoid, ohne daß ein Grund dazu bestünde. Ich hatte vorher nicht mal einen zu kleinen Busen.«
»Du wolltest nur einfach perfekt sein?«
»Was ist daran so falsch?«
»Mit Geld kann man sich Perfektion nicht erkaufen. Oder vielleicht doch, was weiß ich.«
»Warum sagst du das immer wieder?«
»Was?«
»›Was weiß ich‹?«
»Das weißt du ganz genau.«
»Ich weiß es ganz genau?«
»ja, du weißt es.«
»Ich weiß, warum du immer wieder ›was weiß ich‹ sagst?«
»Etwa nicht?«
Lachen.
»Verdammt – ich kann dich tatsächlich leiden. Wie ist das bloß passiert? Ein runtergekommener Bulle und obendrein noch ein Kettenraucher. Wahrscheinlich stirbst du noch vor nächster Woche an Lungenkrebs.«
»Vielleicht magst du ja kurzfristige Beziehungen. Hör zu …«
»Was?«
»Soll ich gehen?«
»Nein. Bleib. Bloß ein paar Minuten. Ich möchte dir was sagen.«
Cuthbert wartete. Die Pause war so lang, daß Cuthbert sich zu fragen begann, ob sie einen Weg gefunden hatten, das Problem zu überwinden, doch da begann Emily zu reden. Sie sprach präzise, als zitiere sie aus einem vorgegebenen Text.
»Nachdem Margaret Thatcher 1982 in China gewesen war, war klar, daß es irgendeine Vereinbarung zwischen England und China
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