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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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über Hongkong geben müßte. In diesem Jahr ist mein Vater nach Peking gefahren. Er gehörte zu einer wichtigen Delegation der erfolgreichsten Geschäftsleute von Hongkong. Sie wollten mit Deng Xiaoping sprechen, aber er hat sie mit einem seiner höheren Kader abgespeist. Letztlich ist es egal, mit wem sie tatsächlich gesprochen haben. Jedenfalls wollten sie der chinesischen Führung klarmachen, daß Hongkong kommerziell gesehen die bei weitem erfolgreichste Stadt der Welt ist. Sie deuteten vorsichtig an, daß bei der Machtübergabe behutsam vorgegangen werden müsse, wenn das Vertrauen der Welt weiter bestehen sollte. Der Kader, mit dem sie sich unterhalten haben, hat gesagt – und das ist wichtig: ›Ich weiß gar nicht, weswegen Sie sich den Kopf zerbrechen – schauen Sie doch nur, wie gut das 1949 mit Schanghai gelaufen ist.‹«
    Schweigen, dann Chans Stimme.
    »Die Geschichte mit Schanghai 1949 war eine Katastrophe. Aus der ehemals blühendsten Hafenstadt am Pazifik ist ein überbevölkertes Drecksloch in der Dritten Welt geworden, das sich kaum selbst ernähren kann.«
    »Genau.«
    »Und warum hast du mir das jetzt erzählt?«
    »Das ist deine Belohnung, Chief Inspector. Du hast gedacht, wenn du mich bumst, bekommst du irgendwelche Hinweise auf deine Fleischwolfmorde. Tja, ich habe dir einen Hinweis gegeben. Du kannst jetzt gehen. Wenn du weitere Hinweise brauchst, weißt du, an wen du dich wenden mußt.«
    Schweigen.
    »Also ist das alles nur ein Spiel für dich?«
    »Sagen das die Leute nicht über die Reichen – die haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun als spielen?«
    Langes Schweigen.
    »Ich gehe.«
    Das Geräusch der sich öffnenden und schließenden Tür. Stille.
    Cuthbert runzelte die Stirn. Was zum Teufel hatte sie vor? Er stellte den Wecker auf dreißig Minuten ein und wandte sich wieder dem Klarinettenkonzert zu.
    Mitten im Allegro lief der Wecker ab. Cuthbert drückte auf einen Knopf. Chan und Emily hatten sich abwechselnd auf Englisch und Kantonesisch verständigt. Jetzt war Emily in Xians Kabine und sprach Mandarin.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich – wie soll ich denn das beweisen?«
    »Unter Wasser? Was sind denn das für dekadente westliche Spielchen?«
    »Es hat Spaß gemacht. Und Sie schulden mir eine Million US-Dollar. Seien Sie nicht so geizig – eine Million tut Ihnen doch nicht weh. Die verwetten Sie an einem Tag, wenn Sie in Schanghai mit Ihren Freunden Mah-Jongg spielen.«
    Schweigen. Cuthbert konnte sich vorstellen, wie finster der alte Mann dreinschaute.
    »Na schön – Sie haben gewonnen: eine Million weniger Schulden auf Ihrem Konto. Viel Unterschied macht das auch nicht. Zumindest weiß ich, daß er gerade in Ihrer Kabine gewesen ist. Und er ist nicht sonderlich lange geblieben.«
    »Aber lange genug?«
    Kurzes Schweigen, dann die Stimme des Generals. »Ja, lange genug.«
    »Und wenn ich ihn unter Kontrolle habe – was dann?«
    »Dann beobachten wir ihn. Es heißt, daß er ein sehr begabter Polizist ist. Aber ich sehe, daß mehr in ihm steckt. Er ist ein Chinese, der niemals aufgibt. Genau wie ich. Männer wie er und ich – wir lassen uns nicht besiegen.«
    Emilys erstaunte Stimme. »Sie mögen ihn?«
    »Er erinnert mich an meine Jugend.« Ein Kichern. »Wissen Sie, ich war Kommunist.«
    Langes Schweigen, dann wieder die Stimme des Generals: »Sie scheinen ein bißchen durcheinander zu sein.«
    »Ich wüßte nicht, warum.«
    »Hat’s Spaß gemacht mit dem Polizisten, heute morgen? Ich hoffe, Sie kriegen nicht wieder Depressionen.«
    »Sehe ich so aus?«
    »Ich weiß nicht, Sie sehen aus, als wären Sie aus der Fassung.«
    »Und wieso zerbrechen Sie sich darüber den Kopf?«
    »Das tue ich nicht. Aber vergessen Sie nur nicht, wem Sie Geld schulden. Ich möchte auch nicht erfahren, daß Sie in der Nacht in Ihrem Haus herumlaufen und den Wänden Geschichten erzählen. Die Wände haben nämlich Ohren.«
    »Offenbar.«
    Langes Schweigen, dann Emilys Stimme: »Ich gehe jetzt. Ich brauche ein bißchen Schlaf.«
    Ein grunzendes Geräusch, dann die sich öffnende und schließende Tür.
    Cuthbert nahm die Kopfhörer ab.
     
    Als das Schiff in die Hafeneinfahrt bog, schlug ihm das Dröhnen der Stadt entgegen. Den sechs Leuten, die sich auf dem hinteren Sonnendeck entspannten, konnten die Vibrationen der Metropole nicht entgehen. Sie zersetzten jegliches Gefühl der Behaglichkeit wie ein Nervengas. Die Leute auf den anderen Booten machten ähnlich lange Gesichter. Der

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