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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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sechs Millionen Menschen übergibt.« Der Engländer sah Chan einen Augenblick lang an. »Sie wissen wahrscheinlich eine ganze Menge über laogai? «
    »Ich habe einen Freund, der viel darüber weiß.«
    »Ich weiß, dieser lästige alte Mann in Wanchai.«
    »Der den größten Teil seines Lebens als Sklave in den laogaidui verbracht hat.«
    »Genau. Nun können Sie Emilys Ekel vor sich selbst vielleicht besser verstehen. Sie wäscht Geld für eine Organisation, die einen großen Teil ihrer Gewinne durch die Ausnutzung von Sklaven macht. Sklaven, die Opium anbauen, Waffen herumschleppen, Morphium abkochen. Chinesische Sklaven, wie im Mittelalter. Die Arme, es gibt wirklich keinen Ausweg für sie. Sie ist äußerlich knallhart, aber innerlich voller Selbsthaß. Es ist schwierig, mit ihr auszukommen.«
    Manchmal konnte Chan selbst nicht glauben, wie dumm er war. Er hätte es auf dem Schiff sehen, den Augenkontakt und den Tonfall bemerken müssen. Er hätte es zumindest da erraten müssen, als Cuthbert ihn davor gewarnt hatte, mit Emily zu schlafen. Schließlich war es sein Beruf, solche Dinge wahrzunehmen.
    Doch er hatte sich vor allem durch die Persönlichkeit des Engländers ablenken lassen. Es war einfach viel leichter, ihn sich mit einem Kricketschlagholz oder einer Büchse oder einem ledergebundenen Buch als mit einer Frau vorzustellen. Der Satz »wie oft ich sie daran hindern mußte, Selbstmord zu begehen« hallte in seinem Kopf wider. Das war etwas, was ein früherer Liebhaber sagte, ein Gentleman, der sich seiner Pflichten gegenüber einer Frau, die er aufgegeben hat, bewußt war. Chan konnte sich vorstellen, wie Emily vor zehn Jahren ausgesehen hatte, als sie noch weniger promiskuitiv gewesen war, vielleicht sogar noch ein bißchen prüde. Damals war sie durch die Wohnung des Junggesellen gewandert und hatte versucht, Cuthberts Vorträgen zu folgen, die sich mit allem, nur nicht mit dem, was sie am meisten interessierte, beschäftigten. Er konnte sich ausmalen, wie gelangweilt Cuthbert reagiert hatte, wenn sie ihn von seinen Ausführungen über den königlichen Sport der Wildschweinhatz im Malaysia des neunzehnten Jahrhunderts wieder zu der Frage zurückbrachte, wie sie ihre nächsten zehn Millionen verdienen könne. Oder wie sie ihn voller Gewissensbisse anflehte, er möge ihr helfen, aus Xians Netz zu entkommen. Es wäre spannend gewesen, ihren Auseinandersetzungen zu lauschen.
    Cuthberts Enthüllungen über Emily waren faszinierend, ja, aber bei näherer Betrachtung halfen sie ihm bei seinen Ermittlungen nicht weiter.
    »Mr. Cuthbert, ich verstehe nicht.«
    »Ach?«
    Als der Diplomat die Augenbrauen hob, wurde Chan ein wenig nervös. Er spürte, daß er mit einer Finesse manipuliert wurde, die fast so etwas wie Sehnsucht nach den rohen Killern von Mongkok aufkommen ließ. Er merkte, wie sein Kinn nach vorne schoß, wie er aggressiv wurde.
    »Vielleicht versuchen Sie tatsächlich, mir zu helfen, indem Sie mir all das über Emily Ping erzählen. Aber ich begreife nicht, wie das alles zusammenpaßt.«
    Cuthbert lehnte sich lächelnd auf seinem Stuhl zurück. »Das herauszufinden, ist doch eigentlich Ihre Aufgabe, nicht wahr, mein Freund?«
    Chan spürte, daß er fast zu stottern anfing. »Ich habe gedacht, nein, ich bin mir ziemlich sicher, daß es irgendwo in einem Computer geheime Informationen gibt … Wissen Sie, Xian, Emily Ping, Clare Coletti – MI6 muß doch Bescheid über sie wissen. Ich dachte, Sie würden dem Komitee Anweisung geben, mir Zugang zu verschaffen. Ich dachte, Sie haben mich deswegen zum Mittagessen hierher eingeladen – damit wir uns weiter über dieses Problem unterhalten.«
    Zu spät merkte Chan, daß er einen Fehler gemacht hatte.
    »Das Komitee? Sie meinen eine streng geheime kleine Gruppe grauhaariger Männer, die alles wissen? Aber Charlie, ich dachte, wir hätten uns in meinem Büro darauf geeinigt, daß eine solche Annahme absurd ist?«
    »Ich dachte, es wäre Ironie, als Sie die Existenz dieser Gruppe geleugnet haben.«
    Cuthbert rieb sich stirnrunzelnd die Wange. »Wissen Sie, es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber ich habe das Gefühl, daß Sie mir ein bißchen zu subtil sind.«
    Chan spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Cuthbert beherrschte die Kunst der diplomatischen Bescheidenheit oder des Sarkasmus – bei den Engländern bestand da kaum ein Unterschied – meisterhaft. Chan fragte sich, ob es noch schlimmer gewesen wäre, wenn der Politische Berater

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