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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Wohnsiedlung in Junk Bay hatten sich einige Vergewaltigungen ereignet, und alle Augenzeugen hatten etwas von einem tiefen Haaransatz und einem Stirnrunzeln erwähnt.
    »Gut, jetzt kannst du dich umdrehen.«
    Es stimmte – drei Dimensionen waren etwas anderes als zwei. Pollys Kopf stand zwischen ihren beiden chinesischen Begleitern auf dem Tisch, lächelnd, sorglos. Jekyll und Hyde schauten etwas ernster drein, aber sie schienen ihr gern Gesellschaft zu leisten. Im Taoismus hieß es, die Probleme des Menschen entstünden nur dadurch, daß er einen Körper habe. Tja, das war bei den dreien nicht mehr der Fall.
    »Sehr gut.«
    Angie lächelte. Sie nahm den Büsten die Perücken ab und packte sie wieder in die Schachteln. »Charlie, ich weiß, es ist schon ’ne Weile her, aber die Sache mit dir und Sandra hat mir wirklich leid getan. Ich weiß, wie sehr sie … tja, es tut mir leid.«
    Chan zuckte mit den Achseln. »Ist nicht leicht, mit einem Bullen verheiratet zu sein. Jedenfalls nicht in Hongkong.«
    »Ach, gib nicht dir selbst oder der Polizei die Schuld dafür. Es geht mich ja nichts an, aber sie war ein unruhiger Geist. Nett und gutherzig, aber eben ein unruhiger Geist. Das kannst du mir glauben. Ich bin Australierin. Viel wissen wir nicht, aber einen unruhigen Geist erkennen wir.«
    Chan wandte den Blick von den Schachteln und sah Angie an. Die Männer redeten über sie, verehrten sie, hatten sogar Phantasien über sie, aber nicht auf die übliche Art. Polizisten glaubten, sie könnten ganz normal und glücklich sein mit einer Frau wie ihr: Sie war weich, hatte ein großes Herz, ein paar Pfunde zuviel, kaum Ehrgeiz, und sie war Australierin. In Hongkong waren Menschen ohne Ehrgeiz eine Seltenheit.
    Angie stellte die Schachteln übereinander. So könnte er sie tragen, bis er jemanden fand, der ihm half. »Und nicht vergessen, du schuldest mir ein Bier.« Sie lächelte.
    Chan nahm die Schachteln in die Hand und nickte. Er zögerte. Heute war die Einzugsparty, zu der ihn seine Schwester so dringend eingeladen hatte. Ihr Mann und seine reichen Anwaltsfreunde würden kommen. Es würde sie sicher überraschen, wenn er mit einer Frau käme. Und mit ihr konnte er sich wenigstens unterhalten. Er stellte die Schachteln wieder auf den Tisch und strich sich die Haare aus dem Gesicht. So etwas hatte er seit der Trennung von Sandra nicht mehr gemacht. Er konnte kaum glauben, wie schwierig es geworden war.
    »Hast du heute abend Zeit? Ich muß zu einer Party. Bei meiner Schwester, sie haben eine neue Wohnung gekauft. Wir müssen nicht bleiben. Ich fände das gut. Ich meine, ich würde mich freuen. Wäre toll, wenn du mitkommst. Wir könnten uns verdrücken und irgendwo sonst ein Bierchen trinken.«
    Angie lächelte. »Das wäre schön, Charlie. Ich freu’ mich drauf.«
    Im Hof gab Chan Aston zwei Schachteln zum Tragen. Angemessener wäre es gewesen, einen Polizeiwagen aufzutreiben, der sie wieder nach Kowloon zurückgebracht hätte, aber selbst mit eingeschalteter Sirene hätte das länger als eine Stunde gedauert. Von Angies Studio aus hatte er gesehen, wie langsam sich der Verkehr auf den Tunnel zu bewegte. Auch eine Sirene konnte einen solchen Stau nicht beseitigen, denn die Autos konnten nirgendwohin ausweichen. Als sie die Lockhart Road entlanggingen, entdeckte Chan Riley auf dem Rücksitz eines Polizeiwagens, der im Stau steckte. Chan tat so, als sehe er seine Versuche, ihn auf sich aufmerksam zu machen, nicht.
    Auf dem Weg zur U-Bahn hätte Aston Jekyll und Hyde fast fallen lassen. Chan hielt Polly zwischen den vielen Menschen im Zug ganz fest.

ELF
    Die Party war schlimmer, als er erwartet hatte. Anwälte und Geschäftsleute, Chinesen und Briten, die sich über Geld und Weinjahrgänge unterhielten, standen in kleinen Gruppen beisammen, ihre Frauen mit Schmuck und tief ausgeschnittenen Kleidern neben sich. Die Anwältinnen trugen Kostüme in dezenten Farben, machten abschätzige Bemerkungen über ihre männlichen Kollegen und warteten ab, wer versuchen würde, sie zu verführen. Etwa die Hälfte der Anwesenden waren Chinesen, denen Chan sofort ansah, daß sie mehr Geld hatten als die Anwälte. Zwar waren sie ganz ähnlich gekleidet, aber sie machten sich nie die Mühe, Klienten oder Kollegen beeindrucken zu wollen. Sie wohnten hinter den sicheren Wällen ihrer Geldburgen und ließen sich von den anderen bewundern.
    Chan wußte, daß er mit kurzen Blicken taxiert und sofort mit einem süffisanten Lächeln abgetan wurde.

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