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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Ihre … äh … gute Arbeit fortsetzen. Ich glaube, das wär’s, Milton, nicht wahr?«
    Cuthbert sah das leere Blatt Papier mit gerunzelter Stirn an, und Chan war ziemlich sicher, daß Tsui den Erwartungen nicht gerecht geworden war. Doch dann veränderte sich ganz plötzlich der Gesichtsausdruck des Politischen Beraters. Er wandte sich Tsui zu.
    »Ja, Ronny, ich glaube schon.« Er lächelte.
    »Dann hätten wir’s ja«, sagte Caxton Smith. Es war das erste und einzige Mal, daß er den Mund aufmachte.
    Verblüfft merkte Chan, der erst die halbe Zigarette geraucht hatte, daß er einen wesentlichen Teil der Unterhaltung verpaßt hatte, und jetzt war es zu spät. Wie so oft hatten die Engländer vergessen, die Pointe des Witzes zu erzählen.
    »Tja, Milton, wenn das alles ist, werde ich Chief Inspector Chan jetzt wohl zur Arsenal Street zurückfahren«, sagte Tsui.
    Wieder lächelte Cuthbert. »Wunderbare Idee, Ronny, einfach wunderbar.«
    Auf dem Rücksitz des großen Toyota begann Tsui zu lachen, ein fröhliches englisches Lachen, ganz anders als jenes schadenfrohe, schallende Gelächter der Chinesen. Chan merkte, daß irgendwie der Spieß zwischen den Rassen umgedreht worden war. Allerdings war er nicht auf das kantonesische Schimpfwort gefaßt, das Tsui aussprach, als er ein einzelnes Blatt Papier aus dem Aktenordner holte und es Chan zu lesen gab. »Diese Trottel«, wäre eine grobe Übersetzung dessen gewesen, was er gesagt hatte. Chan betrachtete das Dokument mit dem Briefkopf des britischen Auswärtigen Amtes und dem Stempel »streng geheim«. Es handelte sich um die Fotokopie eines Fax an den Politischen Berater.
     
    Danke für Ihre gestrige Nachricht von acht Uhr morgens. Wir haben wirklich nicht die geringste Ahnung, warum man C. I. Chan überhaupt verdächtigt hat. Die Identität der Mordopfer und die Herkunft sowie die mutmaßliche Verwendung der in dem Koffer aufgefundenen Gegenstände sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Verhandlungen mit der Volksrepublik China von höchster Wichtigkeit. Wenn C. I. Chan der fähigste Mann dafür ist, müssen ihm alle Freiheiten für seine Ermittlungen eingeräumt werden.
     
    Darunter stand eine unleserliche Unterschrift. Als Chan das Fax gelesen hatte, nahm Tsui es, noch immer lachend, zurück.
    Es bestand kein Grund, warum Chan Tsui ins Polizeipräsidium begleiten hätte sollen; auf der Kopie des Fax aus London war alles Wichtige gesagt. Tsui ließ ihn an der Lockhart Road heraus. Nachdem Chan hinüber zur Queen’s Road gegangen war, wartete er, daß eine alte grüne Straßenbahn vorbeiratterte. Wie immer war sie voller Menschen; sie drückten die Gesichter gegen die schmutzigen Glasfenster. Besonders eines davon erregte Chans Aufmerksamkeit: das eines alten Mannes mit dünnem Bart, ausgezehrten Wangen und Augen, die alles irdische Leid hinter sich gelassen hatten. Chan winkte dem alten Mann zu, der lächelnd zurückwinkte, als die Straßenbahn in Richtung Wanchai weiterrollte.

ACHTUNDZWANZIG
    Chan nahm mit Genugtuung zur Kenntnis, daß das streng geheime Fax aus London eine belebende Wirkung auf die Schaltstellen der Macht in Hongkong hatte. Cuthbert gab Anweisung, dem Chief Inspector alle »Spielzeuge« der örtlichen Abteilung des MI6 zu überlassen, und Commissioner Tsui versprach, wenn nötig im nachhinein, alle elektronischen Überwachungshilfsmittel zu genehmigen, die Chan möglicherweise brauchte. Chan suchte sich ein Knopfmikro mit zugehörigem Empfänger und Rekorder sowie fünf Kameras von der Größe und Form eines Lippenstifts aus. Er legte das Mikro und den Empfänger in seinen Bürosafe und steckte die fünf Kameras in die Tasche.
    Die Eigentümer des Lagerhauses, in dem der Bottich gefunden worden war, hatten mittlerweile die Geduld verloren und von Albuquerque aus Anwälte in Hongkong angewiesen, dem Commissioner of Police mit gerichtlichen Schritten zu drohen, falls er ihren Besitz nicht freigab. Derzeit verloren sie täglich zehntausend Dollar Mieteinnahmen, weil das Lagerhaus trotz aller Verfügungen und Drohungen leerstand und an beiden Eingängen durch Polizeisperren abgeriegelt war. Chan drückte sich an den Sperren vorbei, schloß die Tür auf und betätigte den Lichtschalter. Die Neonröhren gingen flackernd an. Die Leiter stand noch immer an der Stelle, an der er sie zurückgelassen hatte.
    Chan schleifte die Trittleiter zu einer Säule, die sich knapp vier Meter von der flackernden Neonröhre entfernt befand, holte aus seiner Tasche

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