Die letzten Tage von Pompeji
Unschlüssigkeit zu bemeistern, welche die Beredsamkeit des Christen in seinem erhitzten und fieberischen Gemüthe zu erregen begonnen hatte, so hob er sein Kleid auf und entfloh mit einer Eile, die jeden Gedanken an eine Verfolgung ausschloß.
Erschöpft und außer Athem gelangte er endlich in einen entlegegenen und abgeschiedenen Theil der Stadt, und stund plötzlich vor der einsamen Wohnung des Egypters. Während er stille stand, um sich zu erholen, drang der Mond aus einer silberhellen Wolke hervor, und goß sein volles Licht auf die Mauern dieser geheimnisvollen Wohnung.
Es befand sich kein anderes Haus in der Nähe. Die Vorderseite war mit dunkeln Weinreben umrankt, und hinter dem Hause erhoben sich hohe, im melancholischen Mondlichte schlafende Waldbäume. Weiterhin unterschied man schwach die Umrisse der entfernten Berge, unter ihnen den rauchigen Gipfel des Vesuvs, der damals nicht so hoch war, als er sich jetzt dem Blicke des Reisenden zeigt.
Apäcides ging durch das Nebengewölbe und gelangte zu dem breiten und geräumigen Portikus, vor welchem, zu beiden Seiten der Treppe, das Bild des egyptischen Sphynx ruhte. In diesem großen, harmonischen und leidenschaftslosen Zügen, in denen die Künstler, welche jenes Sinnbild der Weisheit verfertigten, so viel Liebenswürdigkeit mit majestätischem Wesen zu vereinigen wußten, lag eine weitere, noch feierlichere Ruhe. Auf der halben Höhe der Treppe dunkelte das grüne und düstere Blätterwerk der Aloe, während die morgenländische Palme ihre langen, regungslosen Zweige theilweise über die marmornen Stufen hinwarf.
In der Stille des Orts und dem sonderbaren Anblicke der Sphynxe lag vielleicht Etwas, das das Blut des Priesters mit namenloser und geisterhafter Furcht durchschauerte; und als er auf die Schwelle zuging, sehnte er sich sogar nach dem Echo seiner geräuschvollen Tritte.
Er klopfte an die Thüre, über welcher eine Inschrift in, seinem Auge unbekannten, Charakteren, angebracht war; sie öffnete sich unvernehmbar, und ein großer, egyptischer Sklave, der ihn weder fragte noch grüßte, gab ihm ein Zeichen, einzutreten.
Die weite Vorhalle war von hohen, kunstreich gearbeiteten, bronzenen Kandelabern beleuchtet, und die Wände ringsherum mit Hieroglyphen von düstern und dunkeln Farben bemalt, die zu dem hellen Kolorit und den lieblichen Gestalten, mit denen die Bewohner Italiens ihre Häuser schmückten, einen seltsamen Gegensatz bildeten. Am Ende der Halle trat ein Sklave auf ihn zu, dessen Gesicht, obgleich nicht afrikanisch, doch viel dunkler war, als in der Regel das der Bewohner des südlichen Europa's.
»Ich suche Arbaces,« sagte der Priester, aber mit so bebender Stimme, daß ihr Zittern seinem eigenen Ohre vernehmbar wurde.
Der Sklave beugte stillschweigend sein Haupt, geleitete den Apäcides nach einem, außerhalb der Halle befindlichen Hügel und führte ihn eine enge Treppe hinauf; nachdem sie sodann mehrere Gemächer durchwandert hatten, in welchen immer die ernste und nachdenkende Schönheit der Sphinx die Beachtung des Priesters am mächtigsten auf sich zog, gelangte Apäcides in ein dämmerndes und schwach erleuchtetes Zimmer, wo er sich nun dem Egypter gegenüber sah.
Arbaces saß vor einem kleinen Tische, auf dem mehre entfaltete Papyrusrollen lagen, mit denselben Charakteren beschrieben, wie sie Apäcides bereits bei der Thürschwelle erblickt hatte. Etwas entfernter stand ein kleiner Dreifuß, aus dem der Weihrauch langsam aufstieg; neben diesem befand sich ein großer Globus, auf dem die Himmelszeichen abgebildet waren, und auf einem zweiten Tische sah Apäcides verschiedene Instrumente von seltsamer und sonderbarer Form, deren Gebrauch ihm unbekannt war. Das entgegengesetzte Ende des Zimmers verbarg ein Vorhang, und durch das längliche Fenster in der Decke drangen die Strahlen des Mondes ein, sich traurig paarend mit der einzigen Lampe, die im Gemache brannte.
»Setze Dich Apäcides,« sagte der Egypter, ohne sich zu erheben.
Der junge Mann gehorchte.
»Du fragst mich,« ergriff Arbaces nach einer kurzen Pause, während deren er in Gedanken vertieft zu sein schien, wieder das Wort; »Du fragst mich, oder möchtest mich wenigstens fragen, nach den mächtigsten Geheimnissen, die des Menschen Seele zu fassen vermag; es ist also das Räthsel des Lebens selbst, das Du von mir aufgelöst zu sehen wünschest. In das Düster versetzt, aber nur kurze Zeit in diesem dämmernden und beschränkten Dasein verweilend, schaffen wir
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