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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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uns, wie Kinder, Gespenster in dieser Dunkelheit; halb sinken unsere Gedanken mit Schrecken in sich selbst zurück, halb stürzen sie sich wild in die führerlose Finsternis, forschend, was sie enthalten möge, während wir rechts und links unsere hülflosen Hände ausstrecken, um nicht blind über eine unvorhergesehene Gefahr zu fallen. Da wir die Grenzen des Orts nicht kennen, so glauben wir bald, ihre Nähe werde uns ersticken, halb, sie erstrecken sich noch bis ins Unendliche. Unter diesen Umständen besteht die ganze Weisheit nothwendigerweise in der Lösung der beiden Fragen: ›Was sollen wir glauben, und was sollen wir verwerfen?‹ Über diese Fragen also wünschest Du eine Entscheidung von mir?«
    Apäcides nickte bejahend.
    »Der Mensch muß einen Glauben haben,« fuhr der Egypter mit traurigem Tone fort; »er muß seine Hoffnung an Etwas knüpfen, das ist das allgemeine Erbtheil unserer Natur. Wenn Du, erschreckt und entsetzt, Dir das, worauf bis jetzt Dein Glaube ruhte, entrissen zu sehen, auf dem traurigen und uferlosen Meere der Ungewißheit umherschwimmst, so rufst Du um Hülfe, und wünschest ein Brett, an das Du Dich anklammern – wünschest, wenn auch in nebelgrauer Ferne liegendes Land, das Du erreichen kannst. Nun, so höre! Du hast unsere heutige Unterredung nicht vergessen?«
    »Wie sollte ich das?«
    »Ich habe Dir gestanden, daß die Gottheiten, für die so viele Altäre rauchen, nur menschliche Erfindungen, und daß unsere gottesdienstlichen Gebräuche und Ceremonien nur Mummereien seien, um die Menge zu ihrem eigenen Glücke zu täuschen. Ich zeigte Dir, daß gerade aus diesem Blendwerke die Bande der Gesellschaft, die Harmonie der Welt, die Macht der Weisen entspringt; diese Macht beruht auf dem Gehorsam des gemeinen Haufens. Laß uns also diese heilsamen Täuschungen fortsetzen; wenn der Mensch einen Glauben haben muß, so wollen wir ihm denjenigen auch ferner erhalten, den ihm seine Väter theuer gemacht haben, und den die Gewohnheit heiligt und stärkt. Indem wir für uns, deren Sinne für den groben Glauben zu geistig sind, einen erhabeneren suchen, wollen wir Anderen jene Stütze lassen, die für uns zu schwach ist. Das ist weise – ist wohlwollend –«
    »Weiter?«
    »Nachdem dies festgesetzt ist,« sprach der Egypter, »und die alten Grenzen für diejenigen, die wir jetzt verlassen wollen, unverrückt geblieben, gürten wir unsere Lenden und wandeln den neuen Regionen des Glaubens zu. Verbanne aus Deiner Erinnerung, aus Deinen Gedanken Alles, was Du bis jetzt geglaubt hast. Nimm an, Dein Gemüth sei ein leeres, unbeschriebenes Täfelchen, zur Aufnahme des ersten Eindrucks bereit. Blicke in die Welt umher; betrachte ihre Ordnung, ihre Regelmäßigkeit, ihren Plan. Irgend Etwas muß sie erschaffen haben; das planmäßig ausgeführte Gebäude zeugt von einem Baumeister. Mit dieser Gewißheit betreten wir zuerst festes Land. Aber was ist dieses Etwas? Ein Gott rufst Du. Halt! keine verworrenen und verwirrenden Namen. Von dem, was die Welt erschuf, wissen wir nichts, können wir nichts wissen, als die Attribute: Macht und unveränderliche Regelmäßigkeit – strenge, vernichtende, unerbittliche Regelmäßigkeit, die auf keine einzelne Fälle Rücksicht nimmt – die flammend in raschem Fluge dahinrollt, unbekümmert, wie viele Herzen, von der allgemeinen Masse losgerissen, zu Boden fallen, und unter ihren Rädern verbrennen. Die Mischung des Bösen mit dem Guten, das Dasein von Leiden und Verbrechen haben die Meisten zu allen Zeiten in Verwirrung gebracht; sie schufen einen Gott, und dachen sich ihn als ein wohlwollendes Wesen; woher kam nun das Böse? Warum hat er es zugelassen – noch mehr, warum erfunden, fortgesetzt? Um sich dies zu erklären, erschafft der Perser einen zweiten Geist, dessen Natur böse ist und den er sich im beständigen Kampfe mit dem Gott des Guten denkt. Die Egypter dachten sich in unserem düstern und schrecklichen Typhon einen ähnlichen Dämon. Verwirrender Irrthum, der uns noch mehr von dem rechten Wege ableitet! – Thorheit, entspringend aus der ungegründeten Vorstellung, welche aus dieser unbekannten Macht ein greifbares, körperliches, menschliches Wesen macht, – welche das Unsichtbare mit Eigenschaften und einer dem Sichtbaren ähnlichen Natur begleitet. Nun, geben wir jenem Baumeister einen Namen, der keine verwirrende Begriffe mit sich führt, und das Geheimnis wird klarer – dieser Name ist: Nothwendigkeit . Die Nothwendigkeit, sagen die

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