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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Griechen, zwingt die Götter; wozu also Götter? Ihre Thätigkeit wird unnöthig. Verwirf sie sofort. Die Nothwendigkeit beherrscht Alles, was wir sehen. Macht und Regelmäßigkeit, diese beiden Eigenschaften bilden Wesen. Willst Du mehr fragen? Du kannst nicht weiter erfahren. Ob sie ewig ist, ob sie uns, ihre Geschöpfe, nach dem Dunkel, das wir Tod nennen, in neue Laufbahnen zwängt, können wir nicht sagen: hier verlassen wir diese alte, unsichtbare, unergründliche Macht, und wenden uns zu der, die in unsern Augen ihre große Dienerin ist. Über diese können wir mehr lehren, von dieser mehr lernen – ihre Zeugnisse umgeben uns: ihr Name ist Natur . Der Irrthum der Wesen bestand bisher darin, daß sie die Attribute der Nothwendigkeit erforschen wollten, wo doch Dunkel und Blindheit herrscht. Wenn sie ihre Forschungen auf die Natur beschränkt hätten, wie viele Kenntnisse hätten wir wohl schon erlangt? Hier werden Ausdauer und Forschung nie vergebens angewendet. Was wir untersuchen, liegt vor unseren Augen; unser Geist steigt an einer fühlbaren Leiter von Ursachen und Wirkungen empor: die Natur ist die große Seele der äußern Welt und die Nothwendigkeit legt ihr die Gesetze auf, nach denen sie handelt, während sie uns die Kräfte verleiht, durch die wir unsere Forschungen anstellen. Diese Künste sind Wißbegierde und Gedächtnis : ihre Vereinigung ist Vernunft, ihre Vollkommenheit Weisheit. Mittelst dieser Kräfte also untersuche ich die unerschöpfliche Natur, die Erde, die Luft, den Ocean, den Himmel; ich finde, daß zwischen ihnen allen eine geheime Verwandtschaft besteht; daß der Mond Ebbe und Flut regiert, daß die Luft die Erde erhält, und daß sie das Medium für Leben und Empfindung ist; daß wir durch die Kenntnis der Gestirne die Grenzen der Erde messen und die Zeiten in Abschnitte theilen, durch ihr blasses Licht in den Abgrund der Vergangenheit geleitet werden und in ihrem heiligen Zeichen die Geschicke der Zukunft lesen zu können. Wenn wir auf diesem Wege auch nicht erfahren, was Nothwendigkeit ist, so lernen wir doch wenigstens ihre Beschlüsse kennen. Und welche Moral ziehen wir nun aus dieser Religion? denn Religion ist es! Ich glaube an zwei Gottheiten: Natur und Nothwendigkeit . Diese ehre ich durch Unterwürfigkeit, jenen durch Forschung. Welche Sätze lehrt sie uns? folgende: alle Dinge sind nur allgemeinen Gesetzen unterworfen; die Sonne leuchtet zur Freude der Mehrzahl, obwohl sie allerdings Einzelnen Schmerzen bereiten mag; die Nacht gießt ihren Schlummer über die Menge aus, aber sie birgt ebensowohl Mord als Ruhe; die Wälder sind der Schmuck der Erde, aber sie bieten auch Schlangen und Löwen Aufenthalt; das Meer trägt Tausende von Schiffen auf seinem Rücken, aber es verschlingt auch das eine oder andere. So wirkt die Natur und so verfolgt die Nothwendigkeit ihre erhabene Bahn, zwar nicht zum Wohle Aller, aber doch zum allgemeinen Wohle. Dies ist die Regel der furchbaren Triebfeder der Welt; es ist auch die meinige, der ich ihr Geschöpf bin. Ich möchte die Täuschungen der Priester erhalten, denn sie sind für die Menge nützlich; ich möchte den Menschen die Künste, die ich entdeckte, die Wissenschaft, die ich verwollkommne, mittheilen; ich möchte die ungeheure Bahn der Civilisation befördern; hierin diene ich der Masse, ich erfülle das allgemeine Gesetz und vollziehe die große Lehre, welche die Natur predigt. Für mich selbst aber nehme ich die individuelle Ausnahme in Anspruch; ich fordere sie für die Weisen. Zufrieden damit, daß meine individuellen Handlungen in der großen Wagschale des Guten und Bösen Nichts sind; zufrieden, daß das Ergebnis meines Wissens der Masse mehr nützen kann, als meine Begierden der Minderheit zu schaden im Stande sind (denn jenes kann sich bis in die entlegensten Gegenden ausdehnen, und noch ungeborene Nationen humanisiren), gebe ich der Welt Weisheit, mir selbst Freiheit. Ich erleuchte das Dasein Anderer und genieße mein eigenes. Ja, unsere Weisheit ist ewig, aber unser Leben kurz; benütze es, so lange es währt. Widme Deine Jugendzeit dem Vergnügen und Deine Sinne dem Genusse. Bald kommt die Stunde heran, wo der Becher nicht mehr winkt, und die Blumenkränze nicht mehr blühen. Genieße, so lange Du kannst. O Apäcides, sei auch ferner mein Schüler und Jünger. Ich werde Dich Geheimnisse lehren – die Wissenschaft, die Thoren Magie nennen, und die feierlichen Mysterien der Gestirne. Dadurch sollst Du Deine Pflichten gegen

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