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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Greifbarkeit. Eljazokad spürte noch immer, daß etwas Magisches von ihm ausging, aber nicht so sehr wie von einem Magier, eher wie von einem magischen Ort, einer mit Aura geladenen Gegenwart.
    In der Abenddämmerung des sechsten Reisetages bog der Kutscher von der Straße nach Tyrngan ab und folgte einem holperigen Weg nach Osten in den Larnwald hinein, der seit anderthalb Tagen rechter Hand den Ausblick beherrschte. An den Abzweigungen nach Kuellen waren sie schon vorbei, den Larnus hatten sie hinter sich gelassen. Der Larnwald war dunkel, tropfend naß und roch fast betäubend nach Nadeln und Moos. Rodraeg spähte immer wieder nach draußen. Diese Luft, dieses wabernde Dunkel der uralten Bäume, war ihm in seinen Kuellener Jahren ebenso sehr ein Zuhause geworden wie die Sonnenfelder Abencans oder einige leuchtende, helle Straßen Aldavas. Er war ein Mann mit Wurzeln an drei verschiedenen Orten. Eine vierte – Warchaim, das Haus des Mammuts, darin Naenn, in ihr das Kind und in diesem Kind wieder eine Hoffnung auf Glauben und Vertrauen – war auf dem Weg, seine eigentliche Heimat zu werden.
    Es war schon restlos dunkel, und die Bäume ragten wie tropfende Geister schemenhaft und kühl dampfend in die Höhe, als sie Harpas Hof erreichten.

6

Zwei Schwerter an der Wand
    Terenz Harpa und seine Frau Adena waren gastfreundliche Leute, mit denen Alins Haldemuel schon seit Jahren bekannt war. Ihr kleiner Hof samt Stallungen warf keine beeindruckenden Gewinne ab, deshalb hatten sie mit Slaarden Edolarde die Übereinkunft getroffen, als Zwischenstation für Kutschen und Pferde zu dienen und für das leibliche Wohl der Reisenden zu sorgen. Terenz war etwa in Rodraegs Alter, Ende dreißig, und wirkte für einen Bauern eigentlich zu schlaksig und zu wendig. Er trug einen Vollbart und etliche Lachfältchen im Gesicht, kümmerte sich liebevoll um die Pferde, die er aus dem Regen in eine Stallung führte, und hieß alle Reisenden auf seinem bescheidenen Hof willkommen.
    Seine Frau Adena war ausgesprochen schön, zehn Jahre jünger als Terenz, und wirkte erstaunlich kräftig und geschmeidig, ebenfalls nicht wie eine Bauersfrau, sondern eher wie eine sich in Übung haltende Gardistin. Zwei Schwerter, die in der Hauptstube überkreuzt an einer Wand hingen, enthüllten das Geheimnis um beider Herkunft. Die Harpas waren Abenteurer gewesen, wie sie freimütig erzählten. Acht Jahre lang waren sie gemeinsam durch den Kontinent gezogen und hatten wilde und kaum glaubliche Geschichten erlebt, bevor sie sich von ihren Einkünften den Hof gekauft und sich zur Ruhe gesetzt hatten. Seit einem halben Jahr erst waren sie zu dritt: ihr kleines Töchterchen Adeni schlief im Nebenzimmer in einer Wiege.
    Zum Abendbrot gab es umwickelten Spargel, dazu frisches Brot und Butter. Die Harpas schilderten – von Alins ermuntert – eines ihrer Abenteuer: wie sie im Wildbartgebirge ein siebzehnjähriges Mädchen gesucht hatten, das angeblich von Riesen verschleppt worden war. In Wirklichkeit war das Mädchen allerdings mit seinem Liebsten durchgebrannt und hatte es lediglich so aussehen lassen, als seien Riesen mit im Spiel gewesen. In der Nähe von Miura hatten sie die beiden dann aufgespürt, allerdings hatten die sich ausgerechnet in einer Höhle verkrochen, die von echten Riesen ausgebaut und mit Hunderten von mechanischen Fallen gespickt worden war.
    Â»Nachdem wir mit Müh und Not mit all den schwingenden Fallbeilklingen und stürzenden Gewichten fertiggeworden waren«, erzählte Adena belustigt, »tauchten zu guter Letzt noch die Fleischfliegen auf, um uns das Leben schwer zu machen.«
    Â»Fleischfliegen?!« Hellas schüttelte sich. »Das klingt ja ekelhaft.«
    Â»Die sind auch ekelhaft«, bestätigte Terenz. »Fleischfressende Fliegen, einige von ihnen so groß und fett wie kleine Vögel. Die Riesen benutzen sie als Wächter ihrer Heiligtümer. Wenn ihr auf der Paßstraße durch Tyrngan fahrt, muß Alins euch den Eingang zur Höhle des Alten Königs zeigen. Dort kann man zwei riesige Fleischfliegen aus Stein sehen, die das auf ewig verschlossene Tor bewachen. Jedenfalls: Sie kamen in einem gewaltigen Schwarm, um uns alle vier bei lebendigem Leibe aufzufressen.«
    Â»Wir entkamen nur um Haaresbreite, indem wir durch Wasser und Öl nach draußen tauchten. Es war ein ziemlicher Alptraum.«
    Â»Das

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