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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wischte Bestars Schlag beiseite und sprang gegen ihn. Weder Mensch noch Wolf, ein Zerrbild aus beidem, mit aus beiden Bestandteilen zusammengesetzter Wildheit und Kraft. Bestar hatte dem tatsächlich kaum etwas entgegenzusetzen, seine Schuhe zogen rückwärts Streifen durch den Straßensand, als das Untier beißend gegen ihn drängte und schwer mit ihm rang. Beide Gegner knurrten und brüllten. Auch Rodraeg schrie: »Bestar! Bestar! Nicht schon wieder!« Bestar stieß mit der Stirn nach der Schnauze des Gegners. Ein Krallenschlag verpuffte dumpf auf seiner neuen Lederrüstung. Bestar verdoppelte seine Anstrengungen, aber auch sein Rückwärtsrutschen beschleunigte sich. Sehnen quietschten vor Überbeanspruchung. Das Monster roch betäubend nach Tier und Schweiß und gefressenem Wildfleisch. Bestars Schwertarm saß fest in einem Schraubstock mit fünf schwarzen Krallen. Füße scharrten, Leiber drängten. Rodraeg mühte sich aus der Kutsche hinaus und seitlich an ihr hinunter. Bei all dem behinderte ihn Ryot Melrons viel zu langes Schwert. Er würde zu spät kommen. Bestar würde schon wieder fast tot sein, bis er bei ihm ankam.
    Das Ungeheuer drängte den Klippenwälder immer schneller Richtung Wald. Bäume ratschten vorbei, schlugen mit ihren Ästen nach ihnen. Bestar kam sich vor wie vorne an eine Kutsche gefesselt, die unaufhaltsam auf einen Baum zuraste. Er strampelte und spuckte und schrie. Rodraeg humpelte hinterher, aber er wurde immer kleiner statt größer. Bestars Schwert entglitt seinen Fingern, die eingeschlafen waren, abgeschnürt. Das riesige triefende Maul schnappte nach seinem Gesicht, ein stinkendes Höllentor mit einem Kraterrand aus Reißzähnen, doch es gelang Bestar, den Kopf wegzudrehen, bis ihm beinahe die Halswirbel aus ihren Verankerungen krachten. Aus der Schräglage heraus konnte er den nachtbeherrschenden Baumstamm sehen, auf den das Ungeheuer ihn zuschob, auf den es ihn spießen würde wie eine Trophäe. Kurz vor dem Aufprall ließ Bestar sich einfach fallen. Er schlug hart auf den Rücken, so daß bitterer Husten aus ihm hinausgepreßt wurde, aber es gelang ihm, das drängende Gewicht seines Gegners mit den Beinen über sich hinwegzuhebeln. Das Dasco-Tier krachte gegen die abplatzende Baumrinde. Der ganze Baum dröhnte und schüttelte sich. Bestar wollte lachen und sich aufrichten und sein Schwert suchen und ein Ende machen, aber unverständlicherweise war das Tier schon wieder über ihm, zog, rüttelte und suchte ihn mit unfaßbarer Wildheit zu töten. Mit beiden Händen wehrte Bestar etwas ab, das mit vier Gliedmaßen an ihm zerrte.
    Rodraeg nahm all seine Kraft und Verzweiflung zusammen, spurtete auf der Schneise, die die beiden Ringenden gezogen hatten, durch die Dunkelheit des Larn und hielt das Schwert vor sich wie eine Lanze. Bestar war noch am Leben, das konnte man dem Knurren und Keuchen beider Gegner deutlich entnehmen. Vielleicht würde Rodraeg dieses Mal doch nicht zu spät kommen, wie in diesem verfluchten Talkessel bei Terrek, wo alles aus dem Ruder gelaufen war, bis er Bestar mit einem Speer im Bauch am Boden liegend vorgefunden hatte. Er konnte den Rücken des Ungeheuers schweißfeucht vor sich im Mondlicht glänzen sehen, von Fell überwucherte Muskeln, und hinter der Krümmung des Nackens die hohen Ohren eines Wolfshundes.
    Dieser Wolfshund hatte ihn kommen gehört. Er fuhr herum, kurz bevor Rodraeg ihn erreicht hatte, wich mit einer fließenden Bewegung der Schwertklinge aus, faßte an ihr entlang und stieß Rodraeg, der sich durch den Ruck beinahe die Vorderzähne ausbiß, zurück. Ächzend und plump, erschüttert wie nach einem Hammerschlag ins Genick, stürzte Rodraeg auf den Rücken und blieb liegen, bis die Fähigkeit zum Atmen wieder zu ihm zurückfand. Er sah Blattwerk, Mond und Wolken, er sah den Werwolf am unteren Blickrand auftauchen, nachdem Bestar ihm mit beiden Füßen aus dem Liegen heraus in den Rücken getreten hatte. Der Werwolf wandte sich von Rodraeg ab und Bestar zu. Gleichzeitig traf ihn ein Pfeil von der Seite in den Hals. Grollend brach der Werwolf ihn ab und riß ihn heraus. Rodraeg stemmte sich auf die Ellenbogen und konnte eine schmutzige, schiefe Gestalt zwischen den Bäumen sehen, die er zuerst gar nicht erkannte, bis sie ihren Langbogen deutlich sichtbar wegwarf und nacheinander drei

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