Die leuchtende Stadt
mehr Angst hat
als du!///
Bandicut fuhr zusammen, erwiderte aber nichts. Ihm fehlten die Worte. Das Quarx hatte Recht. Er seufzte leise, blickte durch die Kanzel hinaus und versuchte herauszufinden, wohin sie fuhren. In einiger Entfernung, ein wenig unterhalb des Tauchboots, sah er eine viel größere Gruppe aus leuchtenden Habitatkuppeln. War das die eigentliche Unterwasserstadt? Vielleicht waren Ik und er vorübergehend in einer Art von Vorposten festgehalten worden – in einer Wachstation am Stadtrand. Hinter den Kuppeln glaubte er, die dunklen Umrisse des abfallenden Ozeanbodens auszumachen. Also waren sie tatsächlich am Meeresgrund. Ob diese Welt ebenfalls Kontinente und Festlandsockel hatte wie die Erde? Falls ja, hatten sie vermutlich schon die vergleichsweise seichten Gewässer der Schelfküste verlassen und befanden sich nun über dem Kontinentalhang, dem Bathyal. Falls dem so war, musste irgendwo vor ihnen das Abyssal, ein Tiefseegraben beginnen. Er warf Ik einen Blick zu und sah, dass sein Freund ebenso aufmerksam nach draußen schaute wie er. An was der Hraachee’aner wohl gerade dachte? Betrachtete er das hier vielleicht nur als ein neues Abenteuer? Ahnte er womöglich schon, welche Aufgabe hier auf seine Freunde und ihn wartete? Hatte er Angst?
Da draußen war etwas, auf dem Hang neben den Habitaten – es kam gerade in Sicht, als sie sich den äußeren Kuppeln der Stadt näherten. Es sah aus wie ein großes Riff, das sich, von künstlichem Licht erhellt, an den dunklen, felsigen Hang schmiegte.
Ik hörte, wie Bandicut den Atem einsog, und folgte seinem Blick. »Ein künstliches Habitat für Meerestiere und Pflanzen? Vielleicht zur Nahrungsgewinnung?«
L’Kell bemerkte, dass sich die beiden für das Riff interessierten, und steuerte das Tauchboot in sanftem Bogen darauf zu; das Riff säumte an der zum offenen Ozean zugewandten Seite kugel- und röhrenförmige Habitate. Im Riff selbst wimmelte es von Tieren, die den irdischen Fischen überraschend ähnlich sahen. Es gab lange, silbrige Geschöpfe, die mit schnellen Flossenstößen durchs Wasser glitten. Gelegentlich schwammen andere Fische in die am hellsten beleuchteten Zonen und blitzten in den verschiedensten Farbtönen auf: Hellgelb, Karmesinrot, schillernd Blau und Grün. Außer Fischen erkannte Bandicut noch andere Lebensformen: rundliche, pfeilschnelle Wesen und langsam treibende Quallen, die an fliegende Untertassen erinnerten.
»Der Riffbewuchs ist zwar natürlich, aber künstlich angelegt«, erklärte L’Kell. »Die meisten Lebewesen in diesem Ozean, einschließlich des Riffs selbst, würden in dieser Tiefe nicht überleben, wenn wir sie nicht mit Licht und günstigen Strömungen versorgen würden.«
Während sie vorbeiglitten, sah Bandicut sehr viele Lichtquellen im Riff. Gleichzeitig erblickte er einige Neri, die am Rand des Riffs arbeiteten. Offenbar ernteten manche von ihnen eine Art von Seetang. Einige Neri waren kleiner als die anderen und trugen durchscheinende Tauchhauben und klobige Rucksäcke. Bandicut deutete auf sie und wollte gerade eine Frage stellen, als L’Kell sagte: »Das sind unsere Nachkommen, die die Arbeit am Riff lernen. Bis sich ihre –«, hsss, »– Kiemen ausgebildet haben, müssen sie Atemgeräte tragen.«
Tauchgeräte?, dachte Bandicut verwundert.
»Darf ich fragen«, meldete sich Ik zu Wort, »wie tief dieser Ozean wird, wenn man diesem Hang folgt?«
»Wie tief?«, wiederholte L’Kell. »Am Ende des Abhangs, am Tiefseegraben, gibt es keinen Grund, weil …«
Klang-g-g! Klang-g-g!
L’Kell wurde von einem Geräusch unterbrochen, das wie eine ferne Glocke klang, eine Glocke, die irgendwo außerhalb des Tauchboots läutete. L’Kell stieß einen Krächzlaut aus, der Bandicuts Steinen Rätsel aufgab, dann sagte er etwas in die Schalttafel – in eine Art Kommunikationsgerät. Eine Stimme antwortete in einer Sprache, die Bandicut nicht verstand, und L’Kell berührte einen weiteren Schalter. Das Tauchboot beschleunigte so abrupt, dass es Bandicut den Atem verschlug, und sank den tiefer gelegenen Habitaten entgegen. Bandicut hatte das Gefühl, dass ihre Besichtigungstour soeben beendet worden war.
4
Askelanda
»Dürfen wir fragen, was los ist?«, fragte Ik leise, als das kleine Tauchboot durch das Wasser schoss.
L’Kell ignorierte ihn und ließ seine Hände über die Kontrolltafel huschen. Während Bandicut ihn beobachtete, hatte er den Eindruck, als seien die Kontrollen nicht ideal auf die
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