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Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Titel: Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smila Spielmann
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ja. Vielleicht hatten die Fort`mai eine Art Nachhut zurückgelassen? Der Gedanke daran eine dieser Kreaturen zu töten erfüllte sie mit heißer Vorfreude. Da, wieder ein Rascheln. Vorsichtig schlich sie sich näher. Wie viel Geduld sie auf einmal aufbringen konnte! Es störte sie nicht, dass zwischen den einzelnen Geräuschen jedes Mal Minuten verstrichen. Im Gegenteil, mit jedem Augenblick steigerte sich ihre Vorfreude und immer näher schob sie sich an ihre Beute heran.
    Als sie schließlich sah, wer die Geräusche verursacht hatte, hätte sie vor Enttäuschung beinahe laut aufgeschrieen. Kein Fort`mai, ein Mensch. Dawn ging zögernd näher und besah sich den Mann, der auf der Erde lag, genauer. Er war jung mit dunkler Haut und fast schwarzem Haar. Eulenfedern waren in seine Zöpfe eingearbeitet. Hatten ihn die Fort`mai hier draußen überrascht? Lag er seit der Nacht hier? Was hatte er so weit entfernt vom Dorf zu suchen gehabt? Vielleicht ein Stelldichein mit seiner Geliebten, dachte Dawn lächelnd. Schließlich kniete sie neben dem jungen Mann nieder. Seine Augenlieder flackerten, als er versuchte die Augen zu öffnen um sie anzusehen. Er war schwach. Dawn sah auch weshalb. Quer über seinen Brustkorb zog sich eine tiefe Wunde. Sah hässlich aus. Der Mann versuchte nach ihrer Hand zu greifen, seine trockenen Lippen formten ein Wort: „Bitte.“
    „ Bitte, was?“, dachte Dawn. Sie beugte sich näher über ihn. Ob man ihm überhaupt noch helfen konnte? Er sah schwach aus und nach der Blutlache zu urteilen in der er lag, befand sich weniger Blut in ihm, als auf dem Waldboden. Sie überlegte, was aus ihm wohl werden würde, wenn sie versuchte ihn ins Dorf zurückzuschleppen. Ob sein Mädchen ihn noch wollen würde, trotz der Narbe? Vermutlich würde er sich nie ganz von dieser Verletzung erholen. Gedankenverloren legte sie die Finger auf die Wunde. Sie berührte die leuchtend weiße Stelle in all dem Rot. „Knochen“, dachte sie. „Das müssen dann wohl die Rippen sein.“
    Sie hörte den Mann leise aufstöhnen, als sie sein verletztes Fleisch berührte. Der Geruch von Blut hing satt und schwer über seinem Körper und Dawn erschauderte lustvoll.
    „ Bitte“, stöhnte der Mann noch einmal und diesmal konnte sich Dawn dem flehenden Ton seiner Stimme nicht entziehen. Mit einem Satz war sie auf den Beinen. Sie zog ihr Schwert aus der Scheide, wog es kurz prüfend in der Hand und stieß es dann, mit einem wuchtigen Stoß, tief in den Bauch des Mannes. Sie hatte ihn von seiner Qual erlöst.
     

    Thistle stand über den Gräbern die er während der letzten Stunden gemeinsam mit einigen Dorfbewohnern ausgehoben hatte. Die Druidin des Dorfes stand ihm gegenüber, in ihrem Gesicht standen Schmerz und Trauer, doch ihre Stimme klang ruhig und sicher, als sie die rituellen Worte sprach und die Toten der Erde übergab.
    Crystal drückte seine Hand. Sie hatte während der Zeremonie schweigend neben ihm gestanden und ihre stille Gegenwart hatte ihm Zuversicht gegeben. Die Menschen hier wussten es nicht, doch all ihre Hoffnung ruhte auf den zierlichen Schultern dieser Frau. Wenn sie versagte, würde sich das Schicksal dieses Dorfes wieder und wieder wiederholen, bis es keine Dörfer mehr gab, keine Menschen um die Hütten wieder aufzubauen und keine Druiden um die Wälder zu schützen. Thistle schloss die Augen. Das durfte ganz einfach nicht passieren. Er wandte Crystal seinen Blick zu, las Trauer und hilflose Wut in ihrem Gesicht, aber auch eine Entschlossenheit, die ihn seltsam beruhigte. Ihr war das Schicksal dieser Menschen nicht egal und plötzlich wusste er, warum Lucis sie erwählt hatte. Die Stärke ihres Mitgefühls würde ihr die Kraft geben, ihre Aufgabe zu vollbringen. Sie würde die Bilder des brennenden Dorfes vor ihren Augen sehen und nicht aufgeben, egal was auch kommen würde.
    Dawn hatte sich von hinten an sie herangeschlichen und stellte sich nun schweigend neben ihn. Thistle wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu und musterte sie aufmerksam. Ihr Atem ging schnell und flach, ganz so, als ob sie gelaufen wäre.
    „ Wo bist du gewesen?“, fragte Crystal.
    „ Hier“. Dawn beschrieb mit ihren Händen eine ausholende Geste, die das ganze Dorf einzuschließen schien und wandte dann ihren Blick ab.
    Thistle runzelte kurz die Stirn, doch fragte nicht näher nach. Vermutlich hatte sie sich irgendwo nützlich gemacht.
    Nach der Zeremonie standen sie beisammen und beratschlagten, was sie jetzt tun wollten. Thistle

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