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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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vormachen kann, der Ledertyp mache der anderen den Hof; sie nimmt mich aber auch mit, weil dieser Bursche zudringlich wird, wenn sie mit ihm allein geht, einstweilen ist sie nämlich noch in ihren Freund verliebt. Die Iboly hat sie sich ausgesucht, weil sie gemerkt hat, dass andere Kolleginnensich den Verehrer augenblicklich selbst an Land ziehen würden; sie aber möchte ihn auf keinen Fall verlieren, denn außer den zwanzig Pengő rechnet das Mädchen ja damit, dass sie der Bursche übernimmt, falls der jetzige Freund Probleme bekommen oder Pleite machen würde, auf so etwas muss man in der heutigen Welt doch jederzeit gefasst sein. Die Kollegin gibt Iboly von den zwanzig jedes Mal zwei Pengő ab, wenn sie gut gelaunt ist sogar drei. Also dieses Mädchen hat Iboly am ersten Abend erklärt, unmöglich meine Liebe, mit so nackten Fingern, du musst dir die Nägel lackieren!
    Heldenmütig versichert Iboly sofort, dass sie die Farbe noch heute Abend von ihren Nägeln entfernen wird. Sie hat nämlich, das wird er dann sehen, hübsche blassrosa Nägel.
    Schwieriges Problem. Was wird die Kollegin dazu sagen, vielleicht nimmt sie sie dann gar nicht mehr mit, schade um die zwei, drei Pengő.
    »Dann muss sie es eben lassen. Ich nehme es mir selber übel, dass ich so etwas tue. Dieser Leder-Bursche gibt ja nichts als Ferkeleien von sich. Und wenn er nach dem Abendessen eine Autofahrt mit uns macht, sterbe ich fast vor Angst, das Mädchen muss ihn ständig wegstoßen, er setzt sie nämlich immer neben sich auf den Vordersitz, mich verfrachtet er nach hinten, Gott sei Dank; man muss ja jeden Augenblick fürchten, dass er wegen der Rangeleien zwischen den beiden auf den Gehsteig fährt oder mit dem Auto an einem Baum landet; oft lache ich mich dabei schief.«
    Dann sagt sie, sie hoffe, auf diese zwei lumpigen Pengő bald überhaupt nicht mehr angewiesen zu sein, der Herr Oberspielleiter wäre mit ihrer Figur sehr zufrieden und habe versprochen, ihr jetzt regelmäßig Statistenrollen zu geben; das wäre dann Abend für Abend ein Pengő siebzig, monatlich also eine ganz schöne Summe.
    Der Herr Oberspielleiter. Will er nicht vielleicht etwas von ihr? Nicht?
    »Nein, nein, er ist ein wirklich anständiger Mensch. Ja, oft wenn er mir auf dem Gang begegnet oder zur Bühne hereinschaut, klopft er mir auf die Schulter oder sonst wo hin und gibt mir ein Küsschen, aber ich muss den Kuss nicht erwidern. Der Herr Oberspielleiter macht das auch bei anderen und nur aus Nervosität – glaube ich.«
    Küssen die Herren Autoren auch, ja?
    »Ja, die auch, aber das zählt alles nicht.«
    Und wer küsst beim Theater noch?
    Sie kichert:
    »Jeder.«
    Dann setzt sie hinzu: Also nein, es gibt ein paar unbedeutendere Schauspieler, die kann man wegschieben, aber jedem gegenüber kann man sich das als Elevin nicht erlauben.
    Sie erzählt, was ein alternder, schwergewichtiger und namhafterer Mime mit ihr anstellt: er reißt sie an sich, wenn sie sich begegnen, aber so, dass er ihr fast das Rückgrat knickt, und er versucht sie dann zu küssen. Das Mädchen widersetzt sich, indem es die Lippen so fest sie nur kann zusammenpresst oder umgekehrt, den Mund weit aufreißt und heftig den Kopf schüttelt, so weit es unter dem eisernen Griff dieses Riesen nur möglich ist, so kann der ältliche Romeo bei ihr niemals einen Kuss landen, den man als solchen bezeichnen würde. Er brummelt, röchelt und schnauft, der verblühte Held, bis ihm die Prozedur zu viel wird, dann stößt er sie weg: geh zum Teufel, Hexe! Aber diese Beleidigung gilt gar nicht ihr, denn der Schauspieler kennt nicht einmal ihren Namen, fragt sie auch nie danach.
    Das alles ist mir gar nicht neu; schon im Voraus kenne ich die Antworten auf meine Fragen beinahe wortwörtlich.
    Ich lehne mich weiter auf meinem Stuhl zurück, kneife die Augen zusammen und neige den Kopf zur Seite, so fange ich an, das Fräulein Iboly zu betrachten.
    Lass sehen, ob du hübsch oder hässlich bist.
    Was meinst du?
    »Ich bin nicht schön, aber lieb.«
    Ich muss lächeln, als hätte ich etwas Erstaunliches gehört. Ja, das ist es, was mich überrascht, was mich zum Nachdenken bringt, wie aus den Mündern dieser Mädchen immer dieselben Verben und Attribute sprudeln, so wie sie alle die gleichen Knöpfe auf ihren Mäntelchen tragen, wie sie voneinander ihre Witzchen erben, Sprüche von vor zehn Jahren für die nächsten zehn Jahre, wie sich solche Redensarten von Theater zu Theater, von Bezirk zu Bezirk

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