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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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gefällt mir. Ich spiele mit mir. Spiele meine Jugend, gleichsam als Gast. Habe nicht das Gefühl, dass ich an meiner Dame Verrat begehe, tut mir leid, daran denke ich gar nicht. Wenn sie mir einfällt, schaue ich die Bank hinunter vor mich hin oder auf einen Baum, schweige eine Weile; ich hüstele, um das aufkeimende kleine Unbehagen zu verscheuchen. Was wäre, wenn die Dame plötzlich vor dieser Bank auftauchen würde. Nein, dass sie hier entlangspaziert, ist ebenso unwahrscheinlich, wie dass sie sich unter der Brücke bei den Obdachlosen schlafen legt. Es geht darum, dass es nicht übel ist, mit dieser Iboly ein Stündchen zusammen zu sein. Es bedeutet Erholung. Die Unterhaltung mit ihr ist sounbeschwert wie das Atmen. Es fällt mir auch leicht, mit Kindern zu plaudern. Ich palavere problemlos mit Kellnern, Polizisten, mit meinem Hausmeister, meiner Putzfrau. Es strengt mich nicht an. Wenn ich mit bornierten herrschaftlichen Menschen rede, sieht man mir bald die Erschöpfung an.
    Mit Iboly spreche ich zum Beispiel darüber: Warum gibt es eigentlich Armut auf der Welt? Und wie ist es zu erklären, dass sich Ende September die Blätter gelb färben? Sie wird im Herbst immer traurig, alle Blumen tun ihr leid, und sie denkt stets daran, dass auch wir sterben müssen, ja was für einen Sinn hat es dann, dass wir geboren werden. Wäre dieser Krieg zum Beispiel fünf Jahre früher gekommen und hätte ihr Papa die Mama nicht geheiratet, dann wäre sie überhaupt nicht auf der Welt, nicht wahr, oder in eine ganz andere Familie hineingeboren worden. Sie sagt manchmal ihren Namen laut vor sich hin und fängt an nachzudenken, wer sie überhaupt ist, und dann wird ihr Kopf so schwer wie eine Wassermelone, und dann, sagt sie, muss sie sich ins eigene Fleisch kneifen, um zu wissen, dass sie wirklich lebt und dass sie es ist, die morgen früh um neun wieder in die Schauspielschule gehen muss.
    Ibolys Rede ist für mich wie eine lecture de voyage.
    Gern betrachte ich sie, wenn sie den Mund bewegt, ihre glänzenden Augen, sie strahlen wie die Augen von Gliederpuppen in den Auslagen, ich weide mich an ihrem Hals, an dem sich nicht das kleinste Fältchen zeigt, wenn sie den Kopf wendet, ich schaue auf diese glatte Babystirn, auf das übergeschlagene Bein: die beigefarbenen Strümpfe wie ihre eigene blanke Haut, kein einsames Härchen stört den Blick; an den Beinen mancher dieser Mädchen bohren sich Haarstifte aus der durchscheinenden Strumpfseide oder zeigt sich der Schatten dunkler Behaarung, desillusionierend! Ibolys Schuhe sind aus Eidechslederimitat und eher Sandalen als Schuhe, sie lassen alle fünf Zehen frei, wecken die Illusion, das Mädchen wäre geradewegs aus dem Ballett entsprungen.
    An Iboly ist kein Geruch zu spüren; ich habe an ihren Händen geschnuppert und sie gefragt, welche Seife sie benutzt. Also das ist nur eine ganz billige Kokosölseife, ihr Duft verflüchtigt sich bald wieder. Ihre Haare – würde ich an ihnen wittern, so hätten sie vermutlich einen anziehenden, warmen Haar- und Kopfhautduft, den so saubere junge Mädchen an sich haben, vielleicht auch einen schwachen Geruch nach Kamille, denn damit waschen sie sich meist ihr blondes Haar.
    Die orangefarbene Bemalung ist von ihren Fingernägeln verschwunden. Das Mädchen, das sie gelegentlich mitzuschleppen pflegte, hat die sauberen Nägel mit der Bemerkung quittiert: Eine dumme Kuh bist du, meine Liebe.
    Ach ja, ich habe Iboly bei meinem Handschuhmacher ein Paar sandfarbene Handschuhe aus Antilopenleder gekauft, relativ preiswert und zudem auf Kredit. Ibolys Schwester kann nämlich doch kein Geld lockermachen, sie erlebt immerfort Enttäuschungen,ihre Kundinnen fangen an,die Mode der Damen zu übernehmen; sie zahlen einfach nicht.
    Diese Handschuhe habe ich nach unserer vierten Sitzung gekauft, glaube ich.
    Bis zur fünften war es bereits Oktober geworden, ich ging mit ihr ins Kino.
    Natürlich in ein kleines Flohkino.
    Im Dunkeln schob sie sogleich ihren Arm unter meinen, so als könnte man anders gar nicht gut sehen. Das Kino ist ihr ganzes Glück, aber bei ihr reicht das Taschengeld dafür nicht. Und von den Jungen,die es bei ihr versucht haben,ließ sie sich auch nur so lange mitnehmen, bis sie sie satthatte. Von Zeit zu Zeit drückte ich meinen Arm ein wenig an den ihren, nur um zu signalisieren, ich weiß, dass sie neben mir sitzt. Sie lehnte sich liebebedürftig an mich, nach der Pause ließ sie sich schon dazu hinreißen, ihren Kopf auf meine

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