Die Liebe am Nachmittag
fortpflanzen.
Ich fange an, sie zu dirigieren:
Zeig dein Profil.
Jetzt deine Schokoladenseite.
Senke den Kopf.
Heb ihn an und schau in die Wolken.
So, nun mach die Augen zu.
Ich betrachtete sie und entdeckte nichts Aufregendes an ihr.
Sie lächelte, hob mit noch geschlossenen Augen eine Handfläche vor ihr jetzt heiteres Gesicht, ließ sie dann langsam von der Stirn hinunter zum Kinn sinken; bis die Hand das ganze Gesicht wieder freigab, war ihre Miene bitterernst. Dann schob sie die Handfläche vor dem dramatischen Gesichtsausdruck schnell wieder hoch, und als die Hand in Höhe ihrer Nase war, weiteten sich ihre Lippen schon wieder zu einem Lächeln.
Auch dieses Spielchen hatte ich schon oft bei ach so vielen Mädchen gesehen.
Ich musste aus vollem Herzen lachen, küsste ihr aus Dankbarkeit sogar die Hand. Und sie war glücklich, dass sie solchen Erfolg bei mir hat.
Diese abscheulichen Knöpfe waren nicht mehr auf ihrem Mäntelchen. Sie haben mich also nicht gestört,als ich mit Ibolyzurückspaziert bin bis zum Westbahnhof. Die Bücher trägt sie immer noch unterm Arm, was nicht nach meinem Geschmack ist, auch nicht ihr etwas schäbiges Retikül. Es kamen da einige mir bekannte Gesichter vorbei, wir grüßten uns, zum Glück wusste ich nicht, wer die Herren waren.
Auf dem Leopoldring fragt sie mich, ob es mir nicht langweilig sei mit ihr.
Nein, sagte ich, bisher konnte ich dich ganz gut ertragen.
Da nahm sie ihren Mut zusammen:
»Könnte man nicht jeden Tag gemeinsam etwas unternehmen? Das wäre so schön.«
Jetzt hätte ich sagen müssen, schön wäre es schon, aber dazu fehle mir die Zeit, für so etwas hätte ich überhaupt nie Zeit.
Ich sagte lediglich: Es hat doch keinen Sinn, mein Kind.
Traurig ließ sie den Kopf hängen.
»Wenn es mit mir nicht schön ist, dann hat es ja wirklich keinen Sinn. Ich möchte gar nicht, dass Sie mit mir nur so herumspazieren, wie sie soeben dem Mann dort zehn Heller spendiert haben.«
Dem unrasierten Menschen, der vom Rand des Gehsteigs zu uns hintrat: Lieber guter Herr, wenn Sie einen Gott kennen … Ich gab ihm zehn Heller. Wäre ich allein gewesen, hätte er nur vier Heller bekommen, er hat es dem Mädchen zu verdanken, das an meiner Seite ging, dass ich so spendabel war.
Es hat doch keinen Sinn, Iboly. Zu dir passt ein junger Mensch. Der noch verliebt sein kann. Der immer gut gelaunt ist. Mit dem man das ganze Wochenende lang im Strandbad herumtollen oder auf der Donau rudern kann, der mit dir tanzen geht, das alles tue ich nicht, mein liebes Kind.
»Die Strandbäder haben jetzt schon geschlossen«, nur so viel konnte sie antworten, nachdem sie eine Minute lang heftig überlegt hatte.
Zum Trost kaufte ich ihr am Westbahnhof zwei Romanheftezu je zehn Heller und eine Rätselzeitung, dazu ein Sträußchen Proletennelken und Aschantinüsse, nachdem sie gestanden hatte, dass sie die so gern mag. Dann nötigte ich ihr noch einen Pengő auf für die neueren Telefonkosten und das Geld für die Trambahn. Jetzt aber steigst du ein, Iboly, ich habe noch andernorts zu tun.
»Ein kleines bisschen warten Sie noch, bitte.«
Vier, fünf Straßenbahnen ließ sie davonfahren. Inzwischen zog sie eine Nelke aus dem mit Draht zusammengehaltenen Sträußchen und wollte sie mir ins Knopfloch stecken. Ach nein, meine Liebe. Ich versenkte sie in meiner Hosentasche. Versprechen sollte ich ihr, dass ich der Nelke zu Hause Wasser gebe und sie wenigstens noch einen Tag nicht vergesse. Und außerdem möchte sie mir sagen, dass morgen der Tag ist, an dem sie sich neue Handschuhe kaufen wird, sie bekommt das Geld dafür von Bijou, ihre Schwester hat es ihr für heute Abend versprochen. Wiederholt hielt sie mir das Sträußchen unter die Nase. Diese Nelken duften so gut, wunderschön. Und auch das ist schlimm, wenn man gerade traurig ist. Und bitte schön, auch wenn ich nicht mit ihr spazieren gehen will, soll ich ihr doch noch einen Wunsch erfüllen. Ihr nämlich erlauben, etwas vorzusprechen. Ich hätte ihr doch beim letzten Mal versprochen, dass sie für mich ein Gedicht deklamieren könnte.
Ja gut. Ich werde es mir anhören.
»Wann darf ich zu Ihnen hinaufkommen?«
Ich sah der Straßenbahn nach, als sie mit Iboly davonrumpelte.
Welchen Sinn soll das haben? Keine Faser in mir sehnt sich nach diesem Theaterbackfisch. Schade um die zwei Stunden, die ich wieder mit ihr verbracht habe, bei all der Arbeit, die mir liegen bleibt. Ich habe das neue Bühnenstück angefangen. Lasse
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