Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
ihr unangenehm, vor Veit mit ihr zu streiten, andererseits hatte Mathilda ihr keine Wahl gelassen. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Veit Elßlin behutsam auf die Beine half. Ihn derart besorgt um das Wohl der Magd zu sehen, rührte sie. Elßlins heftiges Schluchzen ging in ein leises Wimmern über. Aus ihrem groben Leinenrock tropften Reste der Suppe, dunkel zeichnete sich die Feuchtigkeit auf dem Rock ab. Noch immer zitterte die Ärmste am ganzen Leib. Im selben Moment wie Dora legte auch Veit ihr einen Arm um die Schultern. So nahmen sie das Mädchen in ihre Mitte und führten es zur Wohnstube hinüber.
»Ich bin gespannt, was Urban dazu sagen wird«, rief Mathilda ihnen nach, wobei sie wohl bewusst offenließ, was genau sie mit »dazu« meinte: Elßlins Ungeschick mit der Suppe oder Doras und Veits einvernehmlichen Einsatz für die junge Magd.
»Macht Euch keine allzu großen Sorgen«, entgegnete Dora. »Es ist nicht an Euch, ihm davon zu berichten.«
24
D er Korb war schwer. Gret ächzte unter dem Gewicht, wechselte den Henkel von der rechten auf die linke Hand. Zum hundertsten Mal ärgerte sie sich über Elßlin, die sich vor zwei Tagen unnötigerweise beide Hände verbrüht hatte und damit als Arbeitskraft vorerst ausfiel. Seither oblag es ihr, die Einkäufe vom Fisch- und Kohlmarkt am Pregelufer nach Hause zu schleppen. Mathilda war sich dafür natürlich zu fein. Gret schnaufte verächtlich. Von wegen »Euch sind wohl die Besuche bei Hofe gründlich zu Kopf gestiegen«. Mathilda war diejenige, der etwas viel zu hoch in den Kopf gestiegen war. Wie kam sie überhaupt dazu? Letztlich war Dora die Frau im Haus, Mathilda nur die unverheiratete Base dritten Grades, der man ein Gnadenbrot im Haushalt des Vetters gewährte. Sie musste schmunzeln. Die griesgrämige Schelkin wurmte doch bloß, dass die Herzogin ihre Ähnlichkeit mit Urbans Nürnberger Jugendliebe aufgefallen war. Viel zu gern wäre Mathilda diese Jugendliebe gewesen. Dabei fiel es Gret schwer, Mathilda schwärmerische, gar verliebte Empfindungen zuzutrauen. Wenzels linkische Versuche, der biestigen Pfennigjungfer den Hof zu machen, kamen ihr in den Sinn. Seine Schmeicheleien stießen bei Mathilda auf völlig taube Ohren. Das vertrocknete Weibsbild besaß einfach keinerlei Gespür für zarte Gefühle. Wenn überhaupt, dann war sie einzig in ihrer unerfüllten Liebe zu Urban gefangen. Vielleicht aber bestand ein Funken Hoffnung. Immerhin war es dem kleinen Lienhart gelungen, das verkrustete Herz der alten Klepperin zu erweichen. Als sie ihr das letztens auf den Kopf zugesagt hatte, meinte sie einen Anflug von echter Freude bei ihr gespürt zu haben. Ebenso hatte Mathilda auch der Hinweis auf Wenzels Schmachten nicht unberührt gelassen. Gret lachte auf. Geduld hieß eine ihrer Ahnenmütter. Früher oder später würde sie die Nuss schon knacken.
Von neuem wechselte sie den Korb auf die andere Seite, wischte sich über das schweißnasse Gesicht. Schade, dass Dora nicht mitgegangen war. Die Schwägerin gefiel ihr. Hoffentlich hatte Mathilda ihr nicht hinterrücks etwas von Urbans jugendlicher Schwärmerei für ihre Mutter gesteckt. Wie gern würde sie sich besser mit der Schwägerin anfreunden. Sie waren beide aus demselben Holz geschnitzt, das hatte sie auf den ersten Blick gespürt. Seit Montag aber hatte sich Dora wieder ganz in ihrer Werkstatt vergraben. Lediglich zum Essen verließ sie das zweite Obergeschoss. Ein Wunder, dass Urban das mitmachte. Seine Freude auf das neue Heim in der Junkergasse musste riesengroß sein, wie sonst war zu erklären, dass er das Gebaren seiner Frau duldete. Wenn es der Schwägerin wenigstens gelungen wäre, Renata wieder aus dem Hospital zu holen. Mochte die alte Magd auch den Verstand verloren haben, um zum Markt zu gehen und die Einkäufe zu tragen, hätte es allemal noch gereicht. Die spindeldürre Frau mit dem schütteren Haar, deren genaues Alter nicht einmal Wenzel Selege kannte, obwohl er sie vor mehr als zwanzig Jahren in seinem Haus aufgenommen hatte, besaß Kräfte wie ein Ochse. Einen Korb, prall gefüllt mit Gemüse, Fisch, Brot und was Mathilda sonst noch an Wünschen eingefallen war, schleppte Renata, ohne abzusetzen, vom Kneiphofer Kohlmarkt über die Schmiedebrücke den gesamten steilen Mühlenberg hinauf.
Erschöpft blieb Gret am oberen Ende des Altstädter Marktes stehen und tupfte sich mit dem Schürzenzipfel die Stirn. Seit Beginn der Woche war es wieder sehr warm. Die Eisheiligen schienen
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